Der Berliner Wissenschaftsverlag reagierte schnell: Er habe den Vertrieb des besagten Werks "aufgrund von Plagiaten in mehreren Kapiteln gestoppt und den Titel zurückgerufen". Das Unternehmen bedauere den Vorfall – "und wir nehmen ihn zum Anlass, unsere Abläufe und Mechanismen zur Qualitätssicherung zu überprüfen". Was dahintersteckt, lässt sich in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift "Myops", die wie die NJW im Verlag C.H.Beck erscheint, nachlesen. Der Rechtswissenschaftler Benjamin Lahusen, Professor für Bürgerliches Recht und Neuere Rechtsgeschichte an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder, legt darin zahlreiche Plagiate in jenem Praxishandbuch dar. Dessen Herausgeber, ein auf Bankrecht spezialisierter Anwalt aus Frankfurt a.M., habe schon im Vorwort die Schwierigkeiten erwähnt, "die die Koordination eines großen Autorenteams in einem beständig neu regulierten Themenfeld mit sich bringt". Und dort habe er schon einen "verräterischen Hinweis" untergebracht: Der Verlag habe bei der Betreuung ein "besonderes, nicht selbstverständliches Verständnis für die Zeitnöte schreibender Anwälte und Aufseher sowie gremiengeplagter Professoren" gezeigt.
"Verwurstungsverstecke"
Tatsächlich folge gleich im ersten Kapitel die "blanke Not", schreibt Lahusen. Wobei er zunächst ausführlich Stellen als "Zweitverwertung" und "Patchwork-Arbeiten" einstuft, bei denen es sich um Selbstplagiate aus eigenen, früheren Veröffentlichungen handelt. Über die Verwerflichkeit solcher Selbstzitate könnte man streiten, aber natürlich müssten sie vollständig als solche ausgewiesen werden. Für Lahusen handelt es sich anderenfalls – wie es hier geschehen sei – um "Bauernopfer" oder "(Krypto-)Verwurstungsverstecke".
Heikler wird es bei dem Vorwurf, eine Oberregierungsrätin der BaFin habe zwei Kapitel beigesteuert, von denen eines eine "Zusammenstückelung zweier eigener Beiträge" sei. Noch verwirrender sei, dass gut sieben Seiten daraus wiederum weitgehend einem kurz zuvor veröffentlichten Beitrag des Herausgebers entsprächen. Das habe gelegentlich "lustige Folgen", ätzt Lahusen: Der unter eigenem Namen publizierende Herausgeber empfehle den Behörden eine "liberale Handhabung" der Aufsichtsvorgaben – mit dem Zusatz, "hiermit" sei "die BaFin" gefordert. Damit habe er "einer Oberregierungsrätin bei ebendieser BaFin die marktfreundliche Sicht untergejubelt, für die er sich zuvor als Anwalt stark gemacht hat". In dem anderen Kapitel aus der Aufsichtsbehörde (38 der mehr als 1.000 Seiten des gesamten Werks) entstammten 31 Seiten einem anderen Sammelband, und zwar von einem Professor und (erneut) zwei Anwälten.
Der Bundestagsabgeordnete Martin Plum (CDU) hat von der Bundesregierung Aufklärung in dieser Sache verlangt. Laut der Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs im Bundesfinanzministerium Florian Toncar (FDP) auf seine Anfrage hat die BaFin seit Ende März Kenntnis von dem Fall, der sich in der behördeninternen Sachverhaltsaufklärung befinde.
Autoren ohne Korrekturfahne
Der größte Teil der Plagiate geht ausweislich des Beitrags von Lahusen aber auf die Kappe des Herausgebers selbst. Zunächst habe er fünf Seiten aus einem anderen Handbuch "geklaut", um dann von dort einen weiteren Absatz zu kopieren, bevor er schließlich zusammen mit einer eigenen Bürokollegin "zur Höchstform" aufgelaufen sei: Etwa zwei Drittel dieser gut 25 Seiten könne man als "Produkt geistigen Diebstahls" bezeichnen. Bitter sei das für all die Beteiligten, die sauber gearbeitet hätten – bislang seien es ja nur etwa 10 % des Buchs, "die als Hehlerware gelten müssen". In einem "PS" teilt Lahusen mit, inzwischen seien über weite Strecken zusätzliche Plagiate entdeckt worden. Und der Verlag schob den Hinweis nach, mehrere Autoren hätten ihn darauf hingewiesen, dass der Herausgeber ihnen entgegen der Absprache keine Korrekturfahne zugesandt habe. Einer von ihnen war nach eigenen Angaben nicht einmal an der Erstellung eines Manuskripts beteiligt, als dessen Ko-Autor er aufgeführt worden sei.
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