Urteilsanalyse
Vorliegen begründeter Zweifel an Vermögenslosigkeit einer Gesellschaft im Rahmen der Anmeldung der Löschung zum Handelsregister
Urteilsanalyse
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Die bloße Möglichkeit einer Änderung oder Aufhebung der Steuerfestsetzung nach § 164 Abs. 2 S. 1 AO begründet - so der BGH - für sich genommen keine Zweifel an der Vermögenslosigkeit einer GmbH, welche die Ablehnung der Beendigung der Liquidation und die Anmeldung der Löschung im Handelsregister rechtfertigt.

8. Feb 2022

Anmerkung von

Rechtsanwalt Jonas Siegel, Schultze & Braun GmbH Rechtsanwaltsgesellschaft Wirtschaftsprüfungsgesellschaft

Aus beck-fachdienst Insolvenzrecht 03/2022 vom 04.02.2022

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Sachverhalt

Der Liquidator der Antragstellerin – eine mit Gesellschaftsbeschluss aufgelöste GmbH – meldete die Beendigung der Liquidation und das Erlöschen der Firma zur Eintragung im Handelsregister an. Das Finanzamt stimmte der Löschung der Firma jedoch nicht zu und begründete dies damit, dass das Steuerverfahren der Antragstellerin noch nicht abgeschlossen sei. Das AG wies die Anmeldung daraufhin zurück, die Beschwerde der Antragstellerin blieb erfolglos. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgte die Antragstellerin ihr auf die Eintragung des Erlöschens gerichtetes Begehren weiter.

Entscheidung

Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Der BGH hebt die Entscheidungen der Vorinstanzen auf und weist das Registergericht an, über die Anmeldung der Antragstellung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu entscheiden.

Der BGH stellt fest, dass das Beschwerdegericht das Vorliegen begründeter Zweifel an der Vollbeendigung der Antragstellerin zu Unrecht angenommen hat. Richtigerweise könne die Eintragung der Löschung der Gesellschaft im Handelsregister nach § 74 Abs. 1 Satz 2 GmbHG erst nach der Beendigung der Liquidation erfolgen. Zwar sei dies dann zu verneinen, wenn noch verteilbares Vermögen vorhanden ist, die bloße Möglichkeit einer Änderung oder Aufhebung der Steuerfestsetzung nach § 164 Abs. 2 Satz 1 AO bis zum Ablauf der Festsetzungsfrist, gegebenenfalls nach Durchführung einer Außenprüfung nach §§ 193 ff. AO, begründe für sich genommen jedoch noch keine Zweifel an der Vermögenslosigkeit der Antragstellerin. Solche Zweifel seien nach Bestandskraft der Steuerfestsetzung unter dem Gesichtspunkt des Vorbehalts nur dann begründet, wenn weitere Umstände dafür sprächen, dass die Festsetzung zu Gunsten der Gesellschaft aufgehoben oder geändert werden könnte.

Der unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangene Bescheid entfalte, so der BGH weiter, dieselben Rechtswirkungen wie ein Bescheid, der nicht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergeht und bilde insbesondere die Grundlage für die Verwirklichung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis und deren Vollstreckung. Das Finanzamt sei aber gerade nicht verpflichtet, den Steuerfall zum Zwecke der endgültigen Erledigung nachzuprüfen, sondern vielmehr in der Lage, von einer Überprüfung des Steuerbescheids abzusehen und den Vorbehalt aufzuheben oder diesen mit dem Ablauf der Festsetzungsfrist nach § 164 Abs. 4 Satz 1 AO entfallen zu lassen. Der Vorbehalt der Nachprüfung begründe insofern für sich genommen ohne das Hinzutreten weitere Umstände keine Zweifel an der Vermögenslosigkeit der Gesellschaft. Die Möglichkeit des Finanzamts zur Durchführung einer Außenprüfung führe zu keiner anderen Beurteilung.

Praxishinweis

Der Beschluss des BGH lässt leider weiter ungeklärt, ob die Beendigung der Liquidation und damit die Löschungsreife schon vor dem Abschluss eines Besteuerungsverfahrens eintreten kann. Er schafft jedoch insofern Klarheit, als dass der bloße Umstand, dass eine Steuerfestsetzung nach den Regelungen der Abgabenordnung noch geändert werden kann, für sich genommen nicht ausreicht, die Vermögenslosigkeit anzuzweifeln und damit die Eintragung des Erlöschens der Firma zum Handelsregister abzulehnen. Dies dürfte aus Sicht der sich in Liquidation befindliche Gesellschaften zu begrüßen sein, da hierdurch eine zügige Löschung nach Beendigung der Liquidation ermöglicht wird.

BGH, Beschluss vom 09.11.2021 - II ZB 1/21 (OLG Nürnberg), BeckRS 2021, 41680