Urteilsanalyse
Voraussetzungen für eine außerordentliche Kündigung wegen Mietrückstand
Urteilsanalyse
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Der Kündigungsgrund nach § 543 Abs. 2 Nr. 3 lit. a) BGB nimmt allein die in den beiden aufeinander folgenden Terminen fällig gewordene Miete in den Blick, sodass gerade die für die beiden aufeinander folgenden Termine offen gebliebene Miete im Sinne des § 569 Abs. 3 Nr. 1 BGB erheblich sein muss. Außerhalb der beiden aufeinander folgenden Termine entstandene Mietrückstände spielen nach Ansicht des LG Berlin für den Kündigungsgrund nach § 543 Abs. 2 Nr. 3 lit. a) BGB keine Rolle.

13. Jun 2022

Anmerkung von
Rechtsanwalt Prof. Dr. Wolf-Rüdiger Bub und Rechtsanwalt Nikolay Pramataroff,  Rechtsanwälte Bub, Memminger & Partner, München, Frankfurt a.M.

Aus beck-fachdienst Miet- und Wohnungseigentumsrecht 12/2022 vom 10.06.2022

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Sachverhalt

Die beklagten Wohnraummieter blieben im Zeitraum von Dez. 2020 bis Mai 2021 einen Teil der Miete schuldig, der weder in zwei aufeinanderfolgenden Monaten eine Monatsmiete noch insgesamt zwei Monatsmieten überstieg. Der klagende Vermieter kündigte daraufhin das Mietverhältnis fristlos, hilfsweise ordentlich und erhob Räumungsklage, die in erster Instanz abgewiesen wurde. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung.

Entscheidung

Die Berufung hat keinen Erfolg.

Zu Recht habe das Amtsgericht die auf Räumung und Herausgabe der Wohnung gerichtete Klage abgewiesen.

Das Amtsgericht habe zutreffend festgestellt, dass die Kündigungserklärung vom 22.06.2021 das Mietverhältnis gemäß §§ 543 Abs. 2 Nr. 3 lit. a), 569 Abs. 3 Nr. 1 BGB nicht fristlos beenden konnte. Nach der gesetzlichen Definition liege der von dem Kläger für sich in Anspruch genommene Kündigungsgrund dann vor, wenn ein Wohnraummieter mit einem erheblichen Teil der Miete für zwei unmittelbar aufeinander folgende Termine in Verzug sei und die Summe der gerade für diese beiden Termine rückständig gebliebenen Teilforderungen die Miete für einen Monat übersteige. Diese Voraussetzungen seien hier nicht erfüllt; denn der über zwei aufeinanderfolgende Monate im Zeitraum Dezember 2020 bis Mai 2021 entstandene Gesamtrückstand sei jeweils deutlich hinter einer Monatsmiete zurückgeblieben.

Entgegen der Ansicht des Klägers hätten offene Mietforderungen aus früheren Terminen bei einer auf § 543 Abs. 2 Nr. 3 lit. a) BGB gestützten Kündigung von vorneherein außer Betracht zu bleiben; denn ein Mietrückstand, der über mehr als zwei unmittelbar aufeinander folgende Termine entstanden ist, müsse zur Rechtfertigung einer fristlosen Kündigung gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 3 lit. b) BGB zumindest den Betrag zweier Monatsmieten erreichen.

Ebenfalls zu Recht habe das Amtsgericht auch die ordentliche Kündigung als unwirksam beurteilt. Entgegen der Ansicht des Klägers treffe die Beklagten an der ursprünglichen Entstehung des im Zeitraum Dezember 2020 bis April 2021 insgesamt aufgelaufenen Mietrückstandes kein für eine Mietvertragskündigung hinreichend erhebliches Verschulden. Die Beklagten hätten vielmehr unbeschadet der in Fachkreisen geführten Diskussionen über dessen Gesetzgebungskompetenz auf die durch den Landesgesetzgeber verkündeten Regelungen vertrauen und ihre Mietzahlungen entsprechend kürzen dürfen, ohne sich allein dadurch der Gefahr einer wirksamen Mietvertragskündigung auszusetzen, sollte sich das Landesgesetz als nichtig erweisen.

Ein den Beklagten als im Sinne des § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB erhebliche Vertragsverletzung vorwerfbares Fehlverhalten könne also allenfalls darin liegen, dass sie den Gesamtrückstand von 2.056 EUR nach der Veröffentlichung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über den Mietendeckel am 15.04.2021 nicht sofort in voller Höhe, sondern über einen Zeitraum von insgesamt rund fünf Monaten durch Teilzahlungen ausglichen. Insoweit habe das Amtsgericht aber zutreffend zu Gunsten der Beklagten berücksichtigt, dass sie unverzüglich nach Bekanntwerden der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts 1.000 EUR auf den Rückstand zahlten und diesen so auf einen Betrag deutlich unterhalb einer Monatsmiete zurückführten. Gleichzeitig machten sie gegenüber dem Kläger deutlich, dass sie auch den Rest des Rückstandes so schnell als ihnen möglich ausgleichen würden, indem sie um Bewilligung einer Ratenzahlung baten.

Praxishinweis

Der Entscheidung ist zuzustimmen.

Für eine Kündigung nach § 543 Abs. 2 Nr. 3 a BGB genügt es nicht, dass sich der Rückstand in Höhe von mehr als einer Monatsmiete aus Einzelbeträgen zusammensetzt, die für einen Zeitraum von mehr als zwei aufeinanderfolgenden Terminen angefallen sind. Die Norm setzt vielmehr voraus, dass der Gesamtrückstand von mehr als einer Monatsmiete aus zwei aufeinanderfolgenden Monatsmieten resultiert (BGH, Urteil vom 23.07.2008 - XII ZR 134/06, NJW 2008, 3210). Dies folgt bereits aus dem eindeutigen Wortlaut.

Die Frage der Erheblichkeit iSd § 543 Abs. 2 Nr. 3 a Alt. 2 BGB kann nicht nach der Höhe des einzelnen Rückstands im Verhältnis zu der einzelnen Miete, sondern nur nach der Gesamthöhe der Rückstände bezogen auf die Summe der für die beiden aufeinanderfolgenden Termine geschuldeten Miete, beurteilt werden (BGH, Urteil vom 08.12.2021 - VIII ZR 32/20, BeckRS 2021, 41684).

Dies bedeutet für die Praxis, dass es für die fristlose Kündigung nach § 543 Abs. 2 Nr. 3 a BGB ausreicht, wenn der Mieter in zwei aufeinanderfolgenden Monaten mit einer Miete plus einen Cent in Verzug ist.

LG Berlin, Beschluss vom 11.05.2022 - 64 S 260/21 (LG Berlin), BeckRS 2022, 10907