Das Bundesjustizministerium hat am 18.4.2023 einige Eckpunkte zur Modernisierung des deutschen Schiedsverfahrensrechts (§§ 1025–1066 ZPO) vorgelegt, sie sind auf der Webseite des BMJ abrufbar. Es ist dies der zweite Anlauf, nach einem ersten Versuch 2015/2016, der aber nicht offiziell vorliegt. In der damaligen aufgeheizten Stimmung gegen die transatlantischen Handelsabkommen TTIP und CETA, mit verfälschender – pauschalierender und undifferenzierter – Gleichsetzung von tradierter Handelsschiedsgerichtsbarkeit und paralleler Investitionsschiedsgerichtsbarkeit, war es sicher gut, dass das Projekt unterging (oder besser wohl gesagt: untertauchte). Die klassischen Schiedsgerichte, besonders für Kaufleute, zählen seit langem zum bewährten Instrumentarium wirtschaftsnaher Konfliktlösung. Nun also ein neuer Versuch, mit einer hoffentlich nüchternen Betrachtung der Pros und Cons, dem man nur Erfolg wünschen möchte. Bezeichnenderweise hat man dafür gar das „Silberjubiläum“ des SchiedsVfG zum 1.1.2023 sang- und klanglos vorübergehen lassen.
Behutsame legislative Symbolik ist es nun, wenn sich das BMJ ganz zutreffend auf die Handelsschiedsgerichtsbarkeit fokussiert – es geht jedoch genauso um größere Attraktivität nationaler Schiedsplätze. Seit jeher gilt schon: nach der (Schieds-)Reform, ist vor der (Schieds-)Reform. Unter ähnlichem Segel fuhren in Europa fast alle Novellen, jüngst hat die UK Law Commission zwei Konsultationspapiere publiziert (22.9.2022 und 22.3.2023), die auf die Modernisierung des Arbitration Acts 1996 zielen. Eine eigene Nachschau und Selbstvergewisserung erscheint daher durchaus jetzt angezeigt – solches nicht zuletzt wegen der Fortentwicklung der Rechtsanwendung.
Aktuell wieder über Reformen nachzudenken, ist zudem deshalb naheliegend, weil sich auch originär staatliche Angebote anschicken, konzeptionell zu modernisieren. Gemeint ist hiermit das Bemühen um sogenannte Commercial Courts, denen der feste Rechtsboden fehlt. Auch hierfür existieren BMJ-Vorschläge (bereits im Stadium des Referentenentwurfs [25.4.2023]). Kann und will man denn zugleich beides angehen? Das wäre gut! Es fehlt an einem Ausschlussverhältnis. Es geht um Wettbewerb unterschiedlicher (Streit-)Lösungsmechanismen in einer freiheitlich verfassten Gesellschaft, um Rechtsdurchsetzung, Effektivität, Prozessoptimierung. Staatsgerichte und Schiedsgerichte ziehen mithin so gesehen am selben Strang, sie sind wie Metopen und Triglyphen, die eben zusammen bloß den vollkommenen dorischen Tempelfries darstellen; dass es noch den Eckkonflikt gab, sei dahingestellt – oder um im Bild hierbei zu bleiben: es ist ja vielleicht ein Glücksfall – Fügung oder Chance –, dass beide Vorhaben nahezu zeitgleich laufen. Da kann man auch an den relevanten Ecken die „Optik“ neu abstimmen.
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