NJW-Editorial

Von Me­to­pen und Tri­gly­phen
NJW-Editorial

Das Bun­des­jus­tiz­mi­nis­te­ri­um hat ei­ni­ge Eck­punk­te zur Mo­der­ni­sie­rung des deut­schen Schieds­ver­fah­rens­rechts vor­ge­legt. Zu­gleich sol­len auch staat­li­che Ge­rich­te mo­der­ni­siert wer­den, etwa durch die Ein­füh­rung von Com­mer­ci­al Courts. Es ist gut, dass dies gleich­zei­tig ge­schieht. Denn Staats­ge­rich­te und Schieds­ge­rich­te zie­hen letzt­lich am sel­ben Strang.

14. Jun 2023

Das Bun­des­jus­tiz­mi­nis­te­ri­um hat am 18.4.​2023 ei­ni­ge Eck­punk­te zur Mo­der­ni­sie­rung des deut­schen Schieds­ver­fah­rens­rechts (§§ 1025–1066 ZPO) vor­ge­legt, sie sind auf der Web­sei­te des BMJ ab­ruf­bar. Es ist dies der zwei­te An­lauf, nach einem ers­ten ­Versuch 2015/2016, der aber nicht of­fi­zi­ell vor­liegt. In der da­ma­li­gen auf­ge­heiz­ten Stim­mung gegen die trans­at­lan­ti­schen Han­dels­ab­kom­men TTIP und CETA, mit ver­fälschender – pau­scha­lie­ren­der und un­dif­fe­ren­zier­ter – Gleich­set­zung von tra­dier­ter Han­dels­schieds­ge­richts­bar­keit und par­al­le­ler In­ves­ti­ti­ons­schieds­ge­richts­bar­keit, war es si­cher gut, dass das Pro­jekt un­ter­ging (oder bes­ser wohl ge­sagt: un­ter­tauch­te). Die klas­si­schen Schieds­ge­rich­te, be­son­ders für Kauf­leu­te, zäh­len seit lan­gem zum be­währten In­stru­men­ta­ri­um wirt­schafts­na­her Kon­flikt­lö­sung. Nun also ein neuer Ver­such, mit ­einer hof­fent­lich nüch­ter­nen Be­trach­tung der Pros und Cons, dem man nur Er­folg ­wünschen möch­te. Be­zeich­nen­der­wei­se hat man dafür gar das „Sil­ber­ju­bi­lä­um“ des Schieds­VfG zum 1.1.​2023 sang- und klang­los vor­über­ge­hen las­sen.

Be­hut­sa­me le­gis­la­ti­ve Sym­bo­lik ist es nun, wenn sich das BMJ ganz zu­tref­fend auf die Han­dels­schieds­ge­richts­bar­keit fo­kus­siert – es geht je­doch ge­nau­so um grö­ße­re At­trak­ti­vi­tät na­tio­na­ler Schieds­plät­ze. Seit jeher gilt schon: nach der (Schieds-)Re­form, ist vor der (Schieds-)Re­form. Unter ähn­li­chem Segel fuh­ren in Eu­ro­pa fast alle No­vel­len, jüngst hat die UK Law Com­mis­si­on zwei Kon­sul­ta­ti­ons­pa­pie­re pu­bli­ziert (22.9.​2022 und 22.3.​2023), die auf die Mo­der­ni­sie­rung des Ar­bi­tra­ti­on Acts 1996 zie­len. Eine ei­ge­ne Nach­schau und Selbst­ver­ge­wis­se­rung er­scheint daher durch­aus jetzt an­ge­zeigt – sol­ches nicht zu­letzt wegen der Fort­ent­wick­lung der Rechts­an­wen­dung.

Ak­tu­ell wie­der über Re­for­men nach­zu­den­ken, ist zudem des­halb na­he­lie­gend, weil sich auch ori­gi­när staat­li­che An­ge­bo­te an­schi­cken, kon­zep­tio­nell zu mo­der­ni­sie­ren. Ge­meint ist hier­mit das Be­mü­hen um so­ge­nann­te Com­mer­ci­al Courts, denen der feste Rechts­bo­den fehlt. Auch hier­für exis­tie­ren BMJ-Vor­schlä­ge (be­reits im Sta­di­um des Re­fe­ren­ten­ent­wurfs [25.4.​2023]). Kann und will man denn zu­gleich bei­des an­ge­hen? Das wäre gut! Es fehlt an einem Aus­schluss­ver­hält­nis. Es geht um Wett­be­werb un­ter­schied­li­cher (Streit-)Lö­sungs­me­cha­nis­men in einer frei­heit­lich ver­fass­ten Ge­sell­schaft, um Rechts­durch­set­zung, Ef­fek­ti­vi­tät, Pro­zess­op­ti­mie­rung. Staats­ge­rich­te und Schieds­ge­rich­te zie­hen mit­hin so ge­se­hen am sel­ben Strang, sie sind wie Me­to­pen und Tri­gly­phen, die eben zu­sam­men bloß den voll­kom­me­nen do­ri­schen Tem­pel­fries dar­stel­len; dass es noch den Eck­kon­flikt gab, sei da­hin­ge­stellt – oder um im Bild hier­bei zu blei­ben: es ist ja viel­leicht ein Glücks­fall – Fü­gung oder Chan­ce –, dass beide Vor­ha­ben na­he­zu zeit­gleich lau­fen. Da kann man auch an den re­le­van­ten Ecken die „Optik“ neu ab­stim­men.

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Prof. Dr. Joachim Münch ist Inhaber des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, Handelsrecht, deutsches und ausländisches Zivilprozessrecht an der Georg-August-Universität Göttingen.