Anmerkung von
Richter am Kammergericht Dr. Oliver Elzer, Berlin
Aus beck-fachdienst Zivilverfahrensrecht 19/2023 vom 22.09.2023
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Sachverhalt
In einem Äußerungsrechtsstreit erklärt K nach Eingang der Revisionsbegründung, sie verzichte auf den unter Ziffer 2a des Tenors des LG-Urteils ausgeurteilten Klageanspruch (Untersagung der Äußerung „EHE-TRAGÖDIE“) sowie auf den unter Ziffer 4 des Tenors des LG-Urteils ausgeurteilten Anspruch insoweit, als sich der ersatzfähige Schaden reduziert, wenn bei der Berechnung des Gegenstandswerts der Wert des Antrags 2a außer Acht gelassen wird. B stellt keinen Antrag auf Erlass eines Teilverzichtsurteils. Er beruft sich auf das Interesse an einer sachlichen Klärung. Fraglich ist, ob § 555 Abs. 3 ZPO entsprechend anwendbar ist.
Entscheidung: § 555 Abs. 3 ZPO ist entsprechend anwendbar!
Der § 555 Abs. 3 ZPO zugrundeliegende Rechtsgedanke, der Möglichkeit entgegenzuwirken, eine Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs durch ein Anerkenntnis zu verhindern (BT-Drucks. 17/13948, 35), sei auf den Verzicht zu übertragen (Hinweis ua auf Musielak in MüKoZPO, 6. Aufl. 2020, § 306 Rn. 7 und aA Elzer in BeckOK-ZPO, Stand 1. März 2023, § 306 Rn. 20). Wie beim Anerkenntnisurteil hinge das Erfordernis eines gesonderten Antrags nicht davon ab, zu welchem Zeitpunkt der Verzicht in der Revisionsinstanz erklärt worden sei.
Praxishinweis
Das Revisionsgericht darf gem. § 555 Abs. 3 (eingefügt mWv 1.1.2014 durch das Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten v. 10.10.2013, BGBl. I 3786) ein Anerkenntnisurteil nur noch erlassen, wenn der Kläger dies ausdrücklich beantragt hat. Der Kläger soll nach einem Anerkenntnis des Beklagten in der Revisionsinstanz wählen können, ob der Rechtsstreit durch Anerkenntnis oder durch streitiges Urteil mit Begründung beendet wird (BGH NJW 2019, 3582 Rn. 35 = FD-ZVR 2019, 421257 mAnm. Toussaint).
Der BGH meint, dies gelte auch für einen Verzicht. Dem wäre leicht zuzustimmen, wenn eine Analogie zulässig wäre. Aber eine Analogie ist nur zulässig, wenn das Gesetz eine planwidrige Regelungslücke enthält. Die Lücke muss sich aus dem unbeabsichtigten Abweichen des Gesetzgebers von seinem dem konkreten Gesetzgebungsverfahren zugrundeliegenden Regelungsplan ergeben. Es gibt aber keinen Hinweis für eine planwidrige Regelungslücke.
BGH, Urteil vom 01.08.2023 - VI ZR 307/21 (KG), GRUR-RS 2023, 23205