Urteilsanalyse
Verwirkung des Vergütungsanspruchs des Insolvenzverwalters auch bei Straftat im Parallelverfahren
Urteilsanalyse
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Ein Insolvenzverwalter kann seinen Vergütungsanspruch grundsätzlich nur bei Pflichtverletzungen in Ausübung des konkreten Amtes verwirken. Allerdings kann die Vergütung aber auch bei einer in einem anderen Verfahren verübten Straftat versagt werden, so der BGH. Denn sie kann die charakterliche Eignung des Verwalters, fremdes Vermögen zu verwalten, entfallen lassen. 

13. Okt 2022

Rechtsanwalt Stefano Buck, Fachanwalt für Insolvenzrecht, Schultze & Braun Rechtsanwaltsgesellschaft für Insolvenzverwaltung mbH

Aus beck-fachdienst Insolvenzrecht 21/2022 vom 13.10.2022

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Sachverhalt

Mit Beschluss vom 13.1.2016 eröffnete das Insolvenzgericht das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners und bestellte H. zum Insolvenzverwalter (im Folgenden: früherer Insolvenzverwalter). Auf eigenen Antrag des früheren Insolvenzverwalters entließ ihn das Insolvenzgericht durch Beschluss vom 25.7.2016 aus seinem Amt und bestellte den weiteren Beteiligten zu 2 zum neuen Insolvenzverwalter. Das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners wurde mit Beschluss des Insolvenzgerichts vom 9.3.2017 aufgehoben. Am 25.9.2017 verstarb der Schuldner.

Über das Vermögen des früheren Insolvenzverwalters wurde am 1.9.2016 das Insolvenzverfahren eröffnet und der weitere Beteiligte zu 1 zum Insolvenzverwalter bestellt. Der Beteiligte zu 1 hat die Festsetzung der Vergütung und Auslagen des früheren Insolvenzverwalters iHv 1.115 EUR beantragt. Den Vergütungsantrag hat das Amtsgericht als verwirkt zurückgewiesen. Die dagegen erhobene sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 1 hat das Landgericht zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgte der Beteiligte zu 1 den Vergütungsantrag des früheren Insolvenzverwalters weiter. Im Ergebnis ohne Erfolg.

Entscheidung

Der BGH führte aus, dass die Verwirkung des Vergütungsanspruchs des Insolvenzverwalters grundsätzlich nur auf Pflichtverletzungen des Verwalters bei der Ausübung des konkreten Amtes gestützt werden könne, für das er eine Vergütung beanspruche. Pflichtverletzungen in anderen Verfahren führten demgegenüber nur unter besonderen Umständen zum Verlust des Anspruchs auf die Vergütung (vgl. BGH WM 2017, 2018). So komme die Versagung der Vergütung grundsätzlich nur bei gewichtigen, vorsätzlichen oder zumindest leichtfertigen Pflichtverstößen in Betracht. Allerdings könne eine einmalige, in der Begehung einer Straftat zum Ausdruck kommende Pflichtverletzung genügen, denn auch eine in einem anderen Verfahren verübte Straftat könne die charakterliche Eignung des Verwalters, fremdes Vermögen zu verwalten, entfallen lassen. Ein Insolvenzverwalter sei aber nicht verpflichtet, dem Insolvenzgericht vor der Bestellung ungefragt jegliche Pflichtwidrigkeit aus anderen Verfahren mitzuteilen. Daher führe eine unterlassene Offenbarung von Pflichtverletzungen in anderen Insolvenzverfahren grundsätzlich nicht zum Verlust des Vergütungsanspruchs. Vielmehr müsse die unterlassene Offenbarung der Pflichtverletzung in anderen Insolvenzverfahren selbst eine schwere, subjektive in hohem Maße vorwerfbare Verletzung der Treuepflicht darstellen. Denn der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gebiete, eine enge Begrenzung der Fälle, in denen ein Anspruch auf Vergütung ausgeschlossen sei (vgl. BGH ZVI 2020, 75).

Nach den für das Rechtsbeschwerdegericht bindenden Feststellungen des Beschwerdegerichts (§§ 577 Abs. 2 Satz 4, 559 ZPO) habe der frühere Insolvenzverwalter in dem parallel geführten Insolvenzverfahren (9 IN 34/14) eine strafbare Untreue begangen, indem er eine Rechnung des von ihm in seiner Funktion als Sachverständiger im Eröffnungsverfahren beauftragten Sachverständigen- und Auktionatorenbüros B. GmbH aus dem Verfahren beglichen und hierdurch vorsätzlich die Insolvenzmasse verkürzt habe. Dabei habe es sich nach den weiteren Feststellungen des Beschwerdegerichts nicht um einen Einzelfall, sondern vielmehr um die mehrfach geübte Praxis gehandelt, dass der frühere Insolvenzverwalter Auslagen für das genannte Sachverständigen- und Auktionatorenbüro bei der Staatskasse eingezogen, den Rechnungsbetrag dann aber aus der jeweiligen Insolvenzmasse beglichen habe. Insgesamt sei es in 18 weiteren von dem früheren Insolvenzverwalter geführten Insolvenzverfahren zu Pflichtverstößen in einem erheblichen Ausmaße gekommen.

Aufgrund dessen sei die Annahme des Beschwerdegerichts, der Vergütungsanspruch des früheren Insolvenzverwalters sei unter den gegebenen Umständen auch im vorliegenden Verfahren verwirkt, auch unter besonderer Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht zu beanstanden.

Praxishinweis

Hinzuweisen ist auf die Entscheidung des BGH vom 21.9.2017 (IX ZB 28/14, BeckRS 2017, 127646) zum Vergütungsanspruch des vorläufigen Insolvenzverwalters bei Pflichtverletzungen nach Insolvenzeröffnung. Nach dieser Entscheidung verwirkt der vorläufige Insolvenzverwalter seinen Vergütungsanspruch in der Regel nicht durch Pflichtverletzung, die er als Insolvenzverwalter im eröffneten Verfahren begeht.


BGH, Beschluss vom 15.08.2022 - IX ZB 19/21 (LG Limburg), BeckRS 2022, 25618