Anmerkung von
Rechtsanwalt Nikolay Pramataroff, Rechtsanwälte Bub, Memminger & Partner, München, Frankfurt a.M.
Aus beck-fachdienst Miet- und Wohnungseigentumsrecht 23/2022 vom 10.11.2022
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Sachverhalt
Die Kläger sind Miteigentümer der GdWE; die Beklagte ist die Verwalterin. In der Versammlung wurde beschlossen, die Hauseingangstüren gemäß Grundangebot der Firma D. austauschen zu lassen.
Das Angebot der Firma D. weist Kosten von 40.000 EUR bzgl. der beschlossenen Maßnahme aus. Die Beklagte vergab einen Auftrag für den Austausch der Hauseingangstüren zu einem Preis von 50.000 EUR. Der Preisunterschied beruht auf dem Einbau höherwertiger Türen, als die im Grundangebot ausgewiesenen.
Die Kläger sind der Auffassung, die Beklagte habe in Höhe der Preissteigerung von 10.000 EUR der GdWE einen Schaden zugefügt und fordern von der Beklagten den bezogen auf ihren Miteigentumsanteil errechneten Schaden.
Entscheidung
Die Klage ist unbegründet.
Den Klägern stehen keine Ansprüche gegen die Beklagte zu.
Durch die WEG-Reform hätten sich Änderung in der Qualifizierung des Verwaltervertrages als Vertrag mit Schutzwirkung für die Wohnungseigentümer ergeben. Dem einzelnen Wohnungseigentümer stehe nunmehr ein Anspruch gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer wegen Verletzung ihrer Verpflichtung auf ordnungsgemäße Verwaltung § 18 Abs. 2 WEG zu. Das Verhalten des Verwalters sei der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer analog § 31 BGB zuzurechnen, so dass in einer Pflichtverletzung des Verwalters zugleich eine Pflichtverletzung der GdWE liege. Gegen sie habe ein geschädigter Wohnungseigentümer einen Schadenersatzanspruch nach § 280 Abs. 1 BGB. Insofern habe sich an der Schutzbedürftigkeit des einzelnen Wohnungseigentümers gegenüber dem alten Recht etwas geändert. Ob die Schutzbedürftigkeit des einzelnen Wohnungseigentümers insgesamt entfallen sei oder nur noch für solche Schäden gegeben sei, die sich unmittelbar im Vermögen des einzelnen Wohnungseigentümers realisieren, könne dahingestellt bleiben, denn vorliegend sei der behauptete Schaden durch das Verwalterhandeln nicht unmittelbar im Vermögen der Kläger eingetreten, sondern nur mittelbar über die Umlage der Kosten erfolgt.
Praxishinweis
Ob den Eigentümern nach der WEG-Reform unmittelbar gegenüber dem Verwalter noch Ansprüche zustehen, ist höchst umstritten und höchstrichterlich noch nicht geklärt.
Einer Ansicht nach habe die Reform nichts daran geändert, dass die Voraussetzungen für einen Vertrag mit Schutzwirkung für die Wohnungseigentümer mit dem Verwaltervertrag weiterhin vorliegen (Elzer in BeckOK WEG, 30.09.2022, § 26 WEG, Rn 207).
Überwiegend wird vertreten, dass aufgrund der Gesetzessystematik der WEG-Reform dem Verwaltervertrag keine Schutzwirkung für die Wohnungseigentümer zukomme und der Verwalter nicht mehr unmittelbar haftet (AG Hannover, Urteil vom 23.03.2021 – 483 C 13214/20, BeckRS 2021, 15698; Wicke in Grüneberg, 81. Auflage 2022, § 27 WEG, Rn 3; Greiner in BeckOGK, 01.09.2022, § 26 WEG, Rn 346; Abramenko, Das neue Wohnungseigentumsrecht, 2020, § 5 Rn 33; Wobst ZWE 2021, 17, 19).
Teilweise wird vertreten, dass Direktansprüche gegen den Verwalter lediglich dann bestehen, wenn Schaden unmittelbar im Vermögen des Wohnungseigentümers eingetreten ist, etwa wenn der Verwalter die Abrechnung verspätet vorlegt und dem Wohnungseigentümer hierdurch ein Steuerschaden entsteht (Zschieschack in Jennißen, WEG-Kommentar, 7. Auflage 2022, § 27 WEG, Rn 277).
Das AG Wiesbaden folgt richtigerweise der zweiten Ansicht: Nach der WEG-Reform steht dem Wohnungseigentümer ein vertraglicher Anspruch auf ordnungsgemäßer Verwaltung gem. § 18 Abs. 2 WEG gegen die GdWE zu und zwar mit gleichwertigem Inhalt wie nach dem bisherigen Konzept, wonach der Verwaltervertrag Schutzwirkung für den einzelnen Wohnungseigentümer entfaltet. Da sich der Verband ein pflichtwidriges Verhalten des Verwalters gem. § 31 BGB analog zurechnen lassen muss, haftet er gem. § 280 BGB. Mangels Schutzbedürftigkeit ist nunmehr ein Direktanspruch gegen den Verwalter abzulehnen; ein Direktanspruch des einzelnen Wohnungseigentümers gegen den Verwalter ist in diesem System weder sinnvoll noch notwendig (BT-Drs. 19/18791, 58).
AG Wiesbaden, Urteil vom 16.08.2022 - 91 C 650/22 (78), BeckRS 2022, 27955