Urteilsanalyse
Verursacht der Mieter Verunreinigungen der Nachbarswohnung, kann das Unterlassungsansprüche des Vermieters auslösen
Urteilsanalyse
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Wenn durch das Auslegen von Futter oder das Aufstellen eines Vogelhäuschens auf den Balkon Singvögel angelockt werden und dadurch die Balkone, Markisen und Fensterbretter der Nachbarn erheblich verunreinigt werden, ist die Grenze des vertragsgemäßen Gebrauchs nach Ansicht des AG Frankfurt a.M. überschritten.

10. Jan 2023

Anmerkung von
Rechtsanwalt Nikolay Pramataroff, Rechtsanwältin Franziska Bordt, Rechtsanwälte Bub, Memminger & Partner, München

Aus beck-fachdienst Miet- und Wohnungseigentumsrecht 26/2022 vom 22.12.2022

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Sachverhalt 

Der Beklagte ist Mieter einer von der Klägerin vermieteten Wohnung. Auf dem Balkon dieser Wohnung installierte der Beklagte ein Vogelhäuschen mit Futter. Aufgrund der Anflüge der Vögel, die den Balkon des Beklagten aufsuchen, wird der darunterliegende Balkon und dessen Markise mit Futterresten und Vogelkot verunreinigt.

Nach Beschwerden der Nachbarn mahnte die Klägerin den Beklagten mehrfach ergebnislos ab, mit dem Hinweis, das Füttern zu unterlassen und das Vogelhäuschen zu entfernen. Der Beklagte könne das Vogelhäuschen auf der anderen Seite der Wohnung über der allgemeinen Rasenfläche aufstellen. Der Beklagte erklärte der Klägerin, die Fütterungen seien größtenteils eingestellt; lediglich bei niedrigen Temperaturen würde er das Vogelhäuschen mit Futter befüllen. Es ließe sich nicht vermeiden, dass Vögel auf der Brüstung säßen. Zudem könne nicht bewiesen werden, dass die Verschmutzungen von den von ihm gefütterten Vögeln verursacht würden.

Die Klägerin erhob daraufhin Unterlassungsklage.

Rechtliche Wertung

Die Klage hat Erfolg.

Der Klägerin stehe gegenüber der Beklagten ein Anspruch auf Unterlassung von Vogelfutter auf dem Balkon und die Fensterbretter sowie das Aufstellen eines Vogelhäuschens zu, § 541 BGB. Der Beklagte habe trotz Abmahnung der Klägerin einen vertragswidrigen Gebrauch der Mietsache fortgesetzt.

Dass Singvögel sich auf den Balkonen von angemieteten oder den Fensterbänken niederlassen, lasse sich grundsätzlich nicht verhindern. Ein reines Verscheuchen der Tiere könne deshalb nicht erwartet werden. Die Mieter hätten jedoch im Rahmen des vertragsgemäßen Gebrauchs darauf zu achten, Treppenhäuser, Zugänge und Außengeländer frei von nicht in dem Haus geduldeter Tiere zu halten. Das Anfüttern und Anlocken von Tieren stehe dem entgegen. Wenn aber durch das Auslegen von Futter oder das Aufstellen eines Vogelhäuschens auf den Balkonen Singvögel angelockt werden und es dadurch zu einer erhöhten Verunreinigung des Balkons, der Fensterbretter sowie des näheren Umfelds, wozu auch und gerade die Balkone der benachbarten Wohnungen und gegebenenfalls die dort angebrachten Markisen gehören, komme, sei die Grenze des vertragsgemäßen Gebrauchs überschritten. Dieser finde jedenfalls seine Grenze dort, wo Beeinträchtigungen anderer Mieter die Folge sind.

Dass die Vögel nicht vollständig daran gehindert werden können, sich auf den Balkonbrüstungen und Fensterbrettern niederzulassen, ändere nichts an dem vertragswidrigen Gebrauch des Beklagten. Denn durch sein Verhalten werde die Gefahr der Verunreinigung jedenfalls mehr als unerheblich erhöht.

Praxishinweis

Das AG Frankfurt a.M. hatte bereits in der Vergangenheit entschieden, dass das Anfüttern von Tauben und Katzen durch den Mieter einen Unterlassungsanspruch des Vermieters begründet (AG Frankfurt a. M. Urt. v. 18.11.2016 – 33 C 2568/16, BeckRS 2016, 122069). Dem ist auch im vorliegenden Fall zuzustimmen.

Typische Fälle von Unterlassungsklagen aufgrund vertragswidrigen Gebrauchs gem. § 541 BGB sind Streitigkeiten über das Anbringen von Parabolantennen (BGH, Urteil vom 16.11.2005 - VIII ZR 5/05, NZM 2006, 98), um die Tierhaltung in der Wohnung (H. Schmidt in BeckOGK, 01.10.2022, § 535 BGB, Rn. 331), über das Musizieren in der Wohnung (aaO, Rn. 325) oder über bauliche Veränderungen (OLG Hamm, Urteil vom 13.11.2007 – 7 U 22/07, BeckRS 2008, 5436).

Im Übrigen lösen nicht genehmigte und vom Vermieter nach Treu und Glauben auch nicht zu genehmigende Veränderungen der Mietsache unter dem Gesichtspunkt des vertragswidrigen Gebrauchs und der Eigentumsbeeinträchtigung Unterlassungs-, Beseitigungs- und Schadensersatzansprüche gem. §§ 541, 823, 1004 BGB sowie aus Vertragsverletzung gem. § 280 BGB aus (Kraemer/von der Osten/Schüller in Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 5. Auflage 2019, Kap III., Rn. 2425). Dies gilt auch – wie vorliegend – für durch den Mieter zurechenbar verursachte Verunreinigungen der Nachbarswohnungen. Bei wiederholtem Verstoß und insbesondere bei Nichtbefolgung eines Unterlassungsurteils droht dem Mieter die Kündigung.

AG Frankfurt a. M., Urteil vom 25.02.2022 - 33 C 3812/21 (76), BeckRS 2022, 23069