Anmerkung von
Senator E. h. Ottheinz Kääb, LL.M., Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verkehrsrecht und Versicherungsrecht, München
Aus beck-fachdienst Straßenverkehrsrecht 22/2023 vom 10.11.2023
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LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 25.9.2023 – L 1 U 1485/23 BeckRS 2023, 27979
Sachverhalt
Der Vater des Anspruchsstellers fuhr mit dem Auto zu einer Gaststätte, in der er mit einem Freund berufliche Belange besprechen wollte. Er nahm nicht den kürzesten Weg, sondern fuhr auf eine Gesamtstrecke von etwa 60 km einen Umweg von rund 400 Metern. Auf dem Umweg fuhr er in einen abschüssigen Waldweg, stellte dort seinen Wagen ab und wollte offenbar seine Notdurft verrichten. Was dann passierte, ist nicht ganz klar, da den Unfall selbst niemand beobachtet hat. Tatsache ist, dass der Vater mit geöffneter Hose tot unter dem Fahrzeug liegend gefunden wurde. Aus den Spuren ergab sich, dass das Fahrzeug zurückgerollt sein muss und den Vater unter sich einklemmte, sodass er an Ort und Stelle verstarb.
Der Sohn des Verstorbenen macht Rentenansprüche geltend, weil sein Vater bei einem versicherten Weg zu einer beruflichen Unterredung tödlich verunglückt sei. In der ersten Instanz hatte er Erfolg, das LSG allerdings wies die Klage ab.
Rechtliche Wertung
Der Senat kam zu dem Ergebnis gekommen, dass der Versicherte seinen Versicherungsschutz noch nicht deshalb verloren hat, weil er den Umweg von 400 Metern gefahren ist. Auf dem Umweg erlösche der Versicherungsschutz nur, wenn die kürzeste Strecke "nicht nur unbedeutend verlängert" werde. Das sei hier aber nicht der Fall.
Die Verabredung mit einem Geschäftsfreund könne auch als bewiesen gelten. Der Freund habe den Termin bestätigt. Es sei zudem nachgewiesen, dass er einige Zeit in dem Lokal gesessen und ein Bier getrunken habe. Später sei er, nachdem er versucht habe, den Verstorbenen telefonisch zu erreichen, weggefahren.
Der Versicherungsschutz sei jedoch erloschen, als der Verstorbene in den Waldweg abgebogen und ausgestiegen sei. In der Rechtsprechung sei allenfalls der Weg zur Verrichtung der Notdurft versichert gewesen, aber nicht diese selbst. Das nochmalige Abbiegen in den Waldweg habe also als Zweck allein die als privat einzustufende Notdurftverrichtung gehabt.
Der Versicherungsschutz lebe auch dann nicht vorzeitig wieder auf, wenn während der Unterbrechung das benutzte Fahrzeug wegrollt und es der Versicherte aufzuhalten versucht, weil er nur mit diesem Fahrzeug den versicherten Arbeitsweg fortsetzen kann.
Die Grundsätze zu einem Fortbestehen des Versicherungsschutzes bei einer pannenbedingten Reparatur auf einem Arbeitsweg seien hier schon deshalb nicht anwendbar, weil der versicherte Weg bereits zuvor aus privaten Gründen unterbrochen war (zu diesem Punkt hat der Senat die Revision zugelassen).
Praxishinweis
Die Entscheidung ist für die Praxis sehr wesentlich. Die verschiedenen Modalitäten, den Versicherungsschutz zu erhalten, werden im Einzelnen untersucht. Von Bedeutung erscheint uns, dass die Revision gegen diese Entscheidung ausdrücklich zugelassen wurde. Ob Revision eingelegt wurde, wissen wir derzeit nicht.