In den vergangenen zwei Jahrzehnten haben die Gerichte das Vertrauen der Wirtschaft verloren, in großen Verfahren sachkundig und effizient zu entscheiden, während Schiedsgerichten diese Fähigkeit zugebilligt wird. Dem BGH ist damit ein wichtiger Bereich für die Rechtsfortbildung entzogen. In den letzten 20 Jahren hat sich die Schiedsgerichtsbarkeit dramatisch weiterentwickelt, etwa durch die IBA-Beweisregeln, die als weltweiter Standard für eine effiziente Verfahrensführung gelten. Die Datentechnik ermöglicht seit langem die wortgetreue Protokollierung der mündlichen Verhandlung vor dem Schiedsgericht. Gerichtsverfahren werden dagegen weitgehend noch genauso geführt wie vor 50 Jahren.
Vertrauen ist leicht verloren und schwer wiederzugewinnen. Das erfordert ein aktives Tun aller, die für die Justiz und deren Entwicklung Verantwortung tragen. Bis in die jüngste Vergangenheit wurde bei Festreden, etwa zur Einführung neuer Gerichtspräsidenten, nur über eine leistungsfähige Justizgewährung für „Bürgerinnen und Bürger“ geredet. Das Wort „Wirtschaft“ fiel nur im Zusammenhang mit Verbraucherschutzprozessen. Den ministeriellen Redenschreibern sei ins Stammbuch geschrieben: Solange ihre Ministerin oder ihr Minister nicht offen, direkt und wiederholt ausspricht, dass die Gerichte in gleicher Weise für Prozesse zwischen Wirtschaftsunternehmen da sind wie für Prozesse mit Verbrauchern, wird kein Unternehmen ein Gerichtsverfahren dem Schiedsverfahren vorziehen.
Das Reden muss mit dem Handeln übereinstimmen. Die Gerichte müssen technisch so ausgerüstet werden wie Schiedsgerichte und sie müssen in die Lage versetzt werden, Verfahren so effizient führen zu können wie ein Schiedsgericht. Das erfordert Geld und Gesetzesänderungen in ZPO und GVG. Baden-Württemberg hat dies begriffen und im Frühjahr 2021 Commercial Courts eingerichtet, die technisch auf neuestem Stand sind. Sie sind mit drei im Wirtschaftsrecht erfahrenen deutsch- und englischsprachigen Berufsrichtern besetzt. Komplexe Verfahren können so von Anfang an strukturiert und auch in englischer Sprache geführt werden. Solange § 184 GVG nicht geändert wird, müssen die Urteile jedoch nach wie vor auf Deutsch verfasst werden. Nordrhein-Westfalen und Hamburg haben am 17.3. 2021 beim Bundesrat einen Entwurf zur Stärkung der Gerichte in Wirtschaftsstreitigkeiten eingebracht (BR-Drs. 219/21), der in die richtige Richtung weist, englischsprachige Urteile ermöglicht, aber noch nicht vollkommen ist. Am 17.6. ist Gelegenheit, über diese und andere Entwicklungen zu diskutieren. •