Anmerkung von
Rechtsanwalt Nikolay Pramataroff, Rechtsanwältin Franziska Bordt, Rechtsanwälte Bub, Memminger & Partner, München
Aus beck-fachdienst Miet- und Wohnungseigentumsrecht 20/2023 vom 12.10.2023
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Sachverhalt
Der Kläger nimmt die Beklagte auf Zahlung rückständiger Miete und Schadensersatz aus einem beendeten gewerblichen Mietverhältnis in Anspruch.
Der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag sollte für ein Jahr gelten und sich um jeweils ein Jahr verlängern, falls nicht drei Monate vor dem jeweiligen Jahresablauf eine Kündigung ausgesprochen wird, wobei maßgebend der Zeitpunkt der Übergabe der zuletzt angemieteten Zusatzflächen, der 05.06.2021, sein sollte.
Die Miete einschließlich Nebenkostenvorauszahlungen für das gesamte Mietobjekt belief sich seither auf monatlich 2.964,37 EUR, zahlbar bis zum dritten Werktag eines jeden Monats im Voraus.
Die Beklagte unterrichtete mit Schreiben vom 03.03.2019 den Kläger darüber, dass sie die Beendigung des Mietverhältnisses zum 17.06.2020, bei fristgerechter Kündigung zum 17.03.2020 plane. Mit Schreiben vom 10.03.2020 erklärte sie gegenüber dem Kläger sodann die Kündigung „zum nächstmöglichen Zeitpunkt 17.06.2020“.
Der Kläger wies darauf hin, dass das Mietverhältnis erst zum 04.06.2021 habe ordentlich gekündigt werden können. Die Beklagte schulde deshalb für den Zeitraum von Februar 2021 bis zum 04.06.2021 die vertragliche Miete einschließlich Nebenkostenvorauszahlung i.H.v. 12.252,73 EUR.
Bis zum 31.12.2020 nutzte die Beklagte das Mietobjekt weiter. An diesem Tag warf sie die Schlüssel in den Hausbriefkasten des Klägers ein, was dieser mit Schreiben vom 07.01.2021 zurückwies.
Neben der vertraglichen Miete sei das Mietobjekt nicht in ordnungsgemäßem Zustand zurückgegeben worden. Unter Verrechnung mit einem Kautionsguthaben der Beklagten i.H.v. 5.695,08 EUR hat der Kläger Instandsetzungskosten i.H.v. 32.075,52 EUR errechnet, die nach seiner Ansicht von der Beklagten zu erstatten seien.
Die Beklagte hat hinsichtlich der geltend gemachten Schadensersatzansprüche die Einrede der Verjährung erhoben und die Ansprüche im Übrigen nach Grund und Höhe in Abrede gestellt.
Das Landgericht hat die Beklagte teilweile zur Zahlung verurteilt. Der Kläger verfolgt die Schadenersatzansprüche mit der Berufung weiter.
Rechtliche Wertung
Die Berufung hat keinen Erfolg.
Die Beklagte sei aufgrund der von ihr erhobenen Einrede der Verjährung jedenfalls gemäß § 214 BGB zur Leistungsverweigerung berechtigt.
Anwendung finde vorliegend hinsichtlich sämtlicher von dem Kläger im Einzelnen geltend gemachter Positionen die sechsmonatige Verjährungsfrist des § 548 Abs. 1 Satz 1 BGB.
Die Verjährungsfrist beginnt gemäß § 548 Abs. 1 Satz 2 BGB mit dem Zeitpunkt, in dem der Vermieter die Mietsache zurückerhalte. Rückerhalt im Sinne des § 548 Abs. 1 Satz 2 BGB sei nicht identisch mit Rückgabe im Sinne von § 546 BGB. Rückerhalt setze grundsätzlich die unmittelbare Sachherrschaft (§ 854 BGB) des Vermieters und eine Besitzveränderung zu seinen Gunsten voraus.
Unstreitig habe die Beklagte die Schlüssel am 31.12.2020 in den Hausbriefkasten des Klägers eingeworfen und das Mietobjekt auch verlassen. Darin sei eine vollständige Besitzaufgabe zu sehen. Der Kläger habe von der Besitzaufgabe Kenntnis erlangt, als er die Schlüssel am 07.01.2021 in seinem Hausbriefkasten vorfand. Da die Beklagte das Mietobjekt zu diesem Zeitpunkt bereits verlassen hatte, sei für den Kläger die vollständige Besitzaufgabe auch nicht zweifelhaft gewesen.
Dem stehe nicht entgegen, dass der Kläger zu einer Rücknahme der Mietsache nicht bereit gewesen sei, denn nach sämtlichen Ansichten in Rechtsprechung und Literatur beginne die Verjährungsfrist nämlich jedenfalls mit Rückerhalt des Mietobjektes durch den Vermieter und Aufgabe des Besitzes an diesem durch den Mieter.
Zwar habe der Bundesgerichtshof ausgeführt, dass ein Vermieter ein Mietobjekt nicht auf Zuruf zurückzunehmen verpflichtet sei und den Besitz an selbigem auch nicht dadurch erhalte, dass die Schlüssel in den Briefkasten des Mietobjekts eingeworfen würden. Der maßgebliche Unterschied des vorliegenden Falls zu dem, der vom Bundesgerichtshof zu entscheiden war, liege jedoch darin, dass der Kläger hier tatsächlich den Besitz an dem Mietobjekt zurückerhalten und dann im Übrigen auch behalten habe, da die Schlüssel in seinen Briefkasten und nicht lediglich in den des Mietobjekts eingeworfen wurden. Ob der Fall anders zu beurteilen wäre, wenn er umgehend die Schlüssel wieder der Beklagten hätte zukommen lassen, bedürfe hier keiner Entscheidung. Denn dies habe der Kläger nicht getan, sondern allein der Beklagten mit Schreiben vom 07.01.2021 mitgeteilt, dass der Einwurf der Schlüssel in seinen Briefkasten gegen seinen Willen erfolgt und er nicht empfangsbereit sei. Hemmungstatbestände seien weder vom Kläger dargetan noch sonst ersichtlich. Der erst am 26.08.2021 eingegangene Mahnantrag habe die zu diesem Zeitpunkt mithin bereits vollendete Verjährung deshalb nicht mehr hemmen können.
Praxishinweis
Dem Urteil ist zuzustimmen.
Die kurze Verjährung gemäß § 548 Abs. 1 BGB beginnt grundsätzlich nicht vor Rückgabe der Mietsache an den Vermieter zu laufen (BGH, Urteil vom 31.08.2022 – VIII ZR 132/20, NJW 2022, 3419), somit nicht, bevor eine Veränderung der Besitzverhältnisse zugunsten des Vermieters eingetreten ist (BGH, Urteil vom 10.07.1991 - XII ZR 105/90, NJW 1991, 2416). Voraussetzung ist, dass der Mieter den Besitz an der Mietsache vollständig und unzweideutig aufgibt (BGH, Urteil vom 27.02.2019 – XII ZR 63/18, NZM 2019, 408) und dass der Vermieter hiervon Kenntnis erlangt (BGH, Urteil vom 19. 11. 2003 - XII ZR 68/00, NJW 2004, 774).
Die höchstrichterlich noch nicht entschiedene Frage, ob der Lauf der Verjährungsfrist des § 548 Abs. 1 BGB entsprechend den Bestimmungen zum Annahmeverzug dann ausgelöst wird, wenn der Mieter die erfüllungstaugliche Rückgabe der geräumten Mietsache dem Vermieter anbietet (so KG, Urteil vom 21.05.2014 –12 U 9284/99, ZMR 2005, 455) oder unabhängig von dem Annahmeverzug für den Beginn der Verjährungsfrist des § 548 Abs. 1 BGB allein auf den Zeitpunkt der tatsächliche Besitzaufgabe durch den Mieter (Strey, in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 15. Auflage 2021, § 548 BGB Rn. N01) bzw. den Zeitpunkt abzustellen ist, in dem der Vermieter sich der Möglichkeit begibt, die unmittelbare Sachherrschaft über die Mietsache auszuüben (Guhling, in Guhling/Günter, Gewerberaummiete, 2. Auflage 2019, § 548 BGB Rn. 22), musste das Gericht auch in dem vorstehenden Fall nicht beantworten; die Voraussetzungen des Annahmeverzugs sowie die tatsächliche Besitzaufgabe lagen vor.
OLG Hamm, Urteil vom 01.09.2023 - 30 U 195/22 (LG Siegen), BeckRS 2023, 25057