Urteilsanalyse
Verhungern lassen von Mastschweinen als Töten von Wirbeltieren durch Unterlassen
Urteilsanalyse
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Wer Mastschweine in Ställen physisch und psychisch verwahrlosen lässt, so dass diese infolge dessen versterben, erfüllt nach laut AG Bad Iburg den Tatbestand des Tötens von Wirbeltieren ohne vernünftigen Grund nach § 17 Nr. 1 TierSchG. Zugleich erfüllte das Verhalten den Tatbestand des § 17 Nr. 2 b) TierSchG, wenn infolge der Einstellung der Fütterung die Mastschweine bis zu ihrem Tod leiden müssen.

19. Dez 2022

Anmerkung von Rechtsanwalt, Fachanwalt für Strafrecht und Steuerrecht, Björn Krug, LL.M. (Wirtschaftsstrafrecht), Ignor & Partner GbR, Frankfurt a.M.

Aus beck-fachdienst Strafrecht 25/2022 vom 15.12.2022

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Sachverhalt

Der A stallte auf der von ihm gepachteten Mastanlage 300 Mastschweine (Läufer) mit einem Durchschnittsgewicht von ca. 28 kg ein. Zu einem nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkt ca. 2 Monate vor dem 26.11.2021 stellte der A die Fütterung der Tiere vollständig ein. Bis zum 26.11.2021 verhungerten mindestens 258 Schweine, wobei sie im Zeitraum davor tagtäglich infolge der eingestellten Fütterung erheblich an Hunger, Kannibalismus, Stress und Verletzungen gelitten hatten. Am 26.11.2021 fanden aufgrund einer Selbstanzeige des A Amtstierärzte des Landkreises in zwei Stallabteilungen mit 31 Buchten insgesamt 258 Schweinekadaver, eine Vielzahl von Knochen und Gliedmaßen und vier noch lebende Schweine, die sich in einem schlechten Ernährungs- und Pflegezustand befanden. Viele Kadaver der Mastschweine wiesen bereits Fraßspuren von Artgenossen und/oder Ratten an den Nasen, Lippen und Analregionen auf. Von den 300 eingestallten Mastschweinen waren bereits im Laufe des Mastdurchgangs 7 tote Schweine von einer Entsorgungsfirma abgeholt worden. Insgesamt 31 Schweine, von denen nur noch Knochen und Gliedmaßen gefunden wurden, waren von ihren Artgenossen in der Hungerphase aufgefressen worden. Aufgrund seiner langjährigen Berufserfahrung als Landwirt und Schweinezüchter nahm der A mit der Einstellung der Fütterung über mehrere Wochen (zumindest) billigend in Kauf, den Mastschweinen dadurch erhebliche und länger anhaltende Schmerzen und Leiden zuzufügen. Gleiches galt für den Hungertod der Mastschweine. (...)

Entscheidung

A hat sich eingelassen, dass er im Juni 2021 (erneut) 300 Schweine eingestallt habe. Anfänglich habe er diese auch versorgt, wobei eine automatische Wasseranlage (Tränken) existiere, so dass die Tiere stets Wasser gehabt hätten. Das Auffüllen der Tröge sei hingegen manuell erfolgt. Irgendwann in der Folgezeigt habe er angefangen, die Schweine nicht mehr zu versorgen und habe die Fütterung wiederholt auf das „nächste Mal" verschoben. Schließlich müsse er die Schweine gänzlich ausgeblendet haben. Ende Oktober 2021 habe er ein Gespräch mit seiner Ehefrau gehabt, die offenbar gemerkt habe, dass etwas nicht stimmen würde. Nach dem Gespräch habe er erstmalig wieder den Schweinestall betreten und dort die toten Tiere entdeckt. Er habe daraufhin Selbstanzeige beim Veterinäramt erstattet. Er könne sich sein Verhalten nicht erklären, zumal ihm hierdurch ein Schaden von ca. 35.000,00 Euro entstanden sei. Das Füttern der Schweine hätte täglich nur ca. 2x 20 Minuten gedauert, wobei er wegen der Rinder sowieso dagewesen sei und die Stallungen unmittelbar nebeneinander liegen würden. Er gehe davon aus, dass er überarbeitet gewesen sei, deshalb die Versorgung der Schweine immer wieder verschoben und die Tiere irgendwann ausgeblendet habe. Im Herbst 2021 habe seine Ehefrau stark unter den Folgen einer alten Unfallverletzung gelitten, so dass seine Arbeitskraft auf dem Hauptbetrieb, noch mehr als zuvor gefragt gewesen sei. Er habe täglich ca. 12 Stunden und mehr arbeiten müssen. Nach der Selbstanzeige habe er sich ärztliche Hilfe gesucht. Der Pachtvertrag sei zu Ende September 2022 gekündigt. Derzeit unterstütze er noch seine Ehefrau, wobei sie die Hofbewirtschaftung in naher Zukunft gemeinsam beenden werden. Ihm selbst sei das Halten und Betreuen von Nutztieren durch das Veterinäramt untersagt worden. Diese Entscheidung habe er auch akzeptiert.

Der Verwesungszustand der durch die Behörden vorgefundenen Kadaver sei unterschiedlich gewesen, einige Schweine müssten bereits ca. 2 Monate tot gewesen sein. Der unterschiedliche Verwesungszustand spreche dafür, dass die schwächsten und rangniederen Tiere zuerst verendet seien und die stärksten und ranghöheren Tiere durch Kannibalismus am längsten gelebt hätten. Für Kannibalismus würde insbesondere die Vielzahl der vorgefundenen Knochen sprechen. Hunger führe bei den Mastschweinen zu erheblichen Stressreaktionen, u.a. zu Aggressivität in der Rangordnung mit Schwanz- und Ohrenbeißen. Der Zeitraum von der Einstellung der Fütterung bis zum Hungertod könne zwischen 3-4 Wochen gelegen haben. Der Zustand des Hungerns und der begleitende Abbau von Körperreserven seien für die Tiere mit extremen Leiden und Schmerzen verbunden. Bei der Kontrolle am 26.11.2021 hätten lediglich 4 Mastschweine noch gelebt. Ausweislich der gesichteten Unterlagen seien im Zeitraum nach der Einstallung lediglich 7 tote Tiere aus diesem Mastdurchgang abgeholt worden, so dass der Verbleib von 269 Tiere nachvollziehbar gewesen sei. Wegen der vorgefundenen Knochen sei davon auszugehen, dass die verbliebenen 31 Tiere von ihren Artgenossen aufgefressen worden seien.

A hat sich daher des Tötens von Wirbeltieren ohne vernünftigen Grund in (mindestens) 258 tateinheitlichen Fällen in Tateinheit mit quälerischer Misshandlung von Wirbeltieren durch Zufügen von länger anhaltenden oder sich wiederholenden Schmerzen oder Leiden in (mindestens) 258 tateinheitlichen Fällen gem. § 17 Nr. 1 und Nr. 2 b) TierSchG -durch Unterlassen (§ 13 StGB)- schuldig gemacht. Indem der A seine Mastschweine in den Ställen physisch und psychisch verwahrlosen ließ, so dass diese infolge dessen verstarben, hat er den Tatbestand des Tötens von Wirbeltieren ohne vernünftigen Grund im Sinne des § 17 Nr. 1 TierSchG erfüllt. Zugleich erfüllte das Verhalten des A den Tatbestand des § 17 Nr. 2 b) TierSchG. Infolge der Einstellung der Fütterung mussten die Mastschweine bis zu ihrem Tod, mithin über einen Zeitraum von 3-4 Wochen, tagtäglich an Hunger, Stress, Verletzungen und Kannibalismus leiden. Als langjährigem Landwirt/Schweinezüchter waren dem A die zwangsläufigen Folgen einer Einstellung der Fütterung der Mastschweine über mehrere Wochen bekannt.

Eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit des A iSv. § 21 StGB konnte das Gericht nicht feststellen. (...) Bei der Strafzumessung war zu Gunsten des A zu berücksichtigen, dass er den Vorfall selbst angezeigt hat, sich im Kern geständig gezeigt hat und strafrechtlich bislang nicht in Erscheinung getreten ist. Strafmildernd hat das Gericht weiter die mittelgradige depressive Episode bewertet, unter der der A im Tatzeitraum litt, sowie den Umstand, dass er infolge dieser Tat seinen Beruf als Landwirt aufgrund des vom Landkreis ausgesprochenen Haltens- und Betreuungsverbots für Nutztiere praktisch nicht mehr ausüben kann. Strafschärfend musste sich insbesondere die Anzahl der betroffenen Tiere sowie der Umstand auswirken, dass der A tateinheitlich zwei Alternativen des § 17 TierSchG verwirklicht hat. Nach Abwägung aller Strafzumessungsgesichtspunkte war gegen den A auf eine tat- und schuldangemessene Geldstrafe von 130 Tagessätzen zu erkennen. Die Höhe des Tagessatzes war nach seinen wirtschaftlichen Verhältnissen auf 70,00 Euro festzusetzen.

Praxishinweis

Folgt man der Annahme des AG, dass dem Angeklagten als langjährigem Landwirt/Schweinezüchter die zwangsläufigen Folgen einer Einstellung der Fütterung der Mastschweine über mehrere Wochen bekannt waren, dann ist der Entscheidung inhaltlich zu folgen (vgl. nur Mezger, in: Erbs/Kohlhaas, § 17 TierSchG Rn. 3 und 4 mwN.). Die im Ergebnis durchaus milde Strafe trägt zahlreichen Sonderfaktoren des konkreten Falls Rechnung und sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch in – zahlenmäßig – sehr viel kleineren Fällen mit erheblichen Strafen zu rechnen sein kann.

AG Bad Iburg, Urteil vom 29.06.2022 - 23 Cs (1102 Js 77788/21) 236/22, BeckRS 2022, 30283