Urteilsanalyse
Vergütung von Umkleide-, Rüst- und Wegezeiten eines Wachpolizisten
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Das An- und Ablegen einer auf Weisung des Arbeitgebers während der Tätigkeit als Wachpolizist zu tragenden Uniform und persönlichen Schutzausrüstung nebst Dienstwaffe ist nach Ansicht des BAG keine zu vergütende Arbeitszeit, wenn der Arbeitnehmer die dienstlich zur Verfügung gestellten Umkleide- und Aufbewahrungsmöglichkeiten nicht nutzt, sondern sich im privaten Bereich umkleidet und rüstet.

21. Apr 2021

Anmerkung von
Rechtsanwalt Prof. Dr. Jobst-Hubertus Bauer, Stuttgart

Aus beck-fachdienst Arbeitsrecht 15/2021 vom 15.04.2021

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Sachverhalt

Die beiden Kläger, die beim beklagten Land als angestellte Wachpolizisten im Zentralen Objektschutz tätig sind, fordern die Feststellung der Vergütungspflicht von Umkleide-, Rüst- und damit in Zusammenhang stehenden Wegezeiten. Auf Weisung des beklagten Landes müssen die Wachpolizisten ihren Dienst in angelegter Uniform mit dem Aufdruck POLIZEI sowie mit den persönlichen Ausrüstungsgegenständen und streifenfertiger Dienstwaffe antreten. Es ist ihnen freigestellt, ob sie den Weg zur und von der Arbeit in Uniform zurücklegen und ob sie das in einer Dienststelle zur Verfügung gestellte Waffenschließfach nutzen. Sie haben die Möglichkeit, die Zurverfügungstellung eines Spinds zu beantragen. Einer der Kläger bewahrt die Dienstwaffe bei sich zu Hause auf und nimmt dort auch das Umkleiden und Rüsten vor. Der andere Kläger nutzt das dienstliche Waffenschließfach, was beim Zurücklegen des Wegs von seiner Wohnung zum Einsatzort und zurück einen Umweg bedingt.

Das LAG hatte den Klagen zum Teil stattgegeben und Vergütung für die Umkleidezeiten zugesprochen. Die auf vollständige Vergütung der Wegezeiten gerichteten Klagen wurden dagegen im Wesentlichen abgewiesen. Nur soweit der eine Kläger einen Umweg zurückzulegen hatte, stellte das LAG die Vergütungspflicht fest.

Entscheidung

Die zugelassenen Revisionen der Kläger hatten vor dem 5. Senat des BAG keinen, die Revisionen des beklagten Landes überwiegend Erfolg. Das Umkleiden und Rüsten mit einer besonders auffälligen Dienstkleidung, persönlichen Schutzausrüstung und Dienstwaffe sei – so die Pressemitteilung des BAG (FD-ArbR 2021, 437700) – keine zu vergütende Arbeitszeit, wenn der Arbeitnehmer eine dienstlich zur Verfügung gestellte Umkleide- und Aufbewahrungsmöglichkeit nicht nutze, sondern für die Verrichtung dieser Tätigkeiten seinen privaten Wohnbereich wähle. Ebenfalls nicht vergütungspflichtig sei die für das Zurücklegen des Wegs zur Arbeit von der Wohnung zum Einsatzort und zurück aufgewandte Zeit, denn der Arbeitsweg zähle zur privaten Lebensführung. Dagegen sei die für einen Umweg zum Aufsuchen des dienstlichen Waffenschließfachs erforderliche Zeit zu vergüten, weil es sich um eine fremdnützige Zusammenhangstätigkeit handele. Der vom LAG insoweit geschätzte zeitliche Aufwand hierfür sei revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

Praxishinweis

Der Entscheidung, mit der der 5. Senat seine Rechtsprechung zur Vergütung von Umkleide- und Rüstzeiten fortentwickelt, ist zuzustimmen. Die gesetzliche Vergütungspflicht des Arbeitgebers knüpft nach § 611 I BGB, ab 1.4.2017 nach § 611a II BGB, an die Leistung der versprochenen Dienste an. Zu den „versprochenen Diensten“ zählt nicht nur die eigentliche Tätigkeit, sondern jede vom Arbeitgeber verlangte sonstige Tätigkeit oder Maßnahme, die mit der eigentlichen Tätigkeit unmittelbar zusammenhängt. Der Arbeitgeber verspricht die Vergütung für alle Dienste, die er aufgrund seines Weisungsrechts abverlangt. „Arbeit“ als Leistung der versprochenen Dienste ist jede Tätigkeit, die als solche der Befriedigung eines fremden Bedürfnisses dient. Für Umkleidezeiten bedeutet dies, dass das An- und Ablegen einer Dienstkleidung als Arbeitszeit zu werten ist, wenn der Arbeitgeber das Tragen einer bestimmten Kleidung vorschreibt und das Umkleiden im Betrieb erfolgen muss (BAG, ArbRAktuell 2017, 93). Das Ankleiden mit vorgeschriebener Dienstkleidung ist aber nicht lediglich fremdnützig und damit nicht Arbeitszeit, wenn sie zu Hause angelegt und – ohne besonders auffällig zu sein – auch auf dem Weg zur Arbeitsstätte getragen werden kann (BAG, FD-ArbR 2018, 400732). Das alles kann aber nicht gelten, wenn der Arbeitnehmer eine dienstlich zur Verfügung gestellte Umkleide- und Aufbewahrungsmöglichkeit nicht nutzt, sondern dazu seinen privaten Wohnbereich wählt. Dann ist auch die für das Zurücklegen des Wegs zur Arbeit von der Wohnung zum Einsatzort und zurück aufgewandte Zeit nicht vergütungspflichtig, denn der Arbeitsweg zählt zur privaten Lebensführung. Konsequent ist es aber, den Arbeitgeber zu verpflichten, dem Arbeitnehmer die für einen Umweg zum Aufsuchen des dienstlichen Waffenschließfachs erforderliche Zeit zu vergüten. Dabei handelt es sich dann um eine fremdnützige Zusammenhangstätigkeit.

BAG, Urteil vom 31.03.2021 - 5 AZR 292/20, 5 AZR 148/20 (LAG Berlin-Brandenburg)