Urteilsanalyse
Vergütung eines Insolvenzverwalters bei Prozessfinanzierung
Urteilsanalyse
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Hat der Insolvenzverwalter einem Prozessfinanzierer einen Teil der streitigen Forderung abgetreten oder sich verpflichtet, einen bestimmten Teil des Erlöses an den Prozessfinanzierer auszuzahlen, erhöht nur der Teil des Erlöses die Berechnungsgrundlage, welcher der Insolvenzmasse nach Abzug der dem Prozessfinanzierer zustehenden Beträge zufließt, so der BGH.

18. Feb 2022

Anmerkung von

Rechtsanwalt Stefano Buck, Fachanwalt für Insolvenzrecht, Schultze & Braun Rechtsanwaltsgesellschaft für Insolvenzverwaltung mbH

Aus beck-fachdienst Insolvenzrecht 04/2022 vom 18.02.2022

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Sachverhalt

Der weitere Beteiligte ist Verwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin. Er beabsichtigte, einen Haftungsprozess gegen den Liquidator und den Steuerberater der Schuldnerin zu führen und hierzu einen Prozessfinanzierungsvertrag mit einem Prozessfinanzierer zu schließen. Auf Antrag des Beteiligten berief das Insolvenzgericht eine Gläubigerversammlung zur Zustimmung zur Prozessfinanzierung durch den Prozessfinanzierer sowie zur Klageerhebung ein. Die Gläubigerversammlung vom 12.7.2016 stimmte gem. § 160 Abs. 1 S. 3 InsO zu.

Der Vertrag mit dem Prozessfinanzierer sah vor, dass dieser die für die gerichtliche Durchsetzung der Ansprüche entstehenden notwendigen Kosten zu tragen hatte. Dafür waren von dem Erlös des Rechtsstreits zunächst die dem Prozessfinanzierer entstandenen verauslagten Kosten zu erstatten. An dem nach der Kostenerstattung verbleibenden Erlös stand dem Prozessfinanzierer ein prozentualer Anteil zu. Zur Sicherung dieser Ansprüche trat der Beteiligte die streitige Forderung an den Prozessfinanzierer ab. Der Prozess endete in zweiter Instanz mit dem Urteil, dass der Liquidator zur Zahlung von 23.172 EUR nebst Zinsen verurteilt, die Klage im Übrigen abgewiesen wurde und die Kosten des Rechtsstreits dem Beteiligten auferlegt wurden. Der Beteiligte erhielt auf dieser Grundlage insgesamt 26.686 EUR. Er führte hiervon entsprechend dem Prozessfinanzierungsvertrag 26.112 EUR an den Prozessfinanzierer ab. Der Beteiligte zeigte Masseunzulänglichkeit an; ausweislich seines Schlussberichts können Massegläubiger mit einer Quote von 11,47 % rechnen.

Der Beteiligte beantragte, seine Vergütung auf 36.970 EUR brutto festzusetzen. Er legte eine Berechnungsgrundlage von 69.284 EUR zugrunde. Die an den Prozessfinanzierer abgeführten 26.112 EUR setzte er nicht ab.

Das Insolvenzgericht hat die Vergütung des Beteiligten bei einer Berechnungsgrundlage von 43.172 EUR auf insgesamt 31.378 EUR einschließlich Auslagen und Umsatzsteuer festgesetzt. Die sofortige Beschwerde des Beteiligten hat keinen Erfolg gehabt. Mit seiner Rechtsbeschwerde verfolgte er seinen Vergütungsantrag weiter. Im Ergebnis ebenfalls ohne Erfolg.

Entscheidung: Nur der Teil des Erlöses erhöht die Berechnungsgrundlage, welcher der Insolvenzmasse nach Abzug der dem Prozessfinanzierer zustehenden Beträge zufließt

Dies folge allerdings entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts nicht aus einer entsprechenden Anwendung des § 1 Abs. 2 Nr. 5 InsVV. Die Bestimmung beruhe auf der Überlegung, dass der Wert der Insolvenzmasse iSd § 63 Abs. 1 S. 2 InsO das insolvenzbefangene Vermögen des Schuldners meine. Daraus ergebe sich, dass ein Vorschuss zur Durchführung des Verfahrens, der von einem Dritten oder aus dem insolvenzfreien Vermögen des Schuldners (vgl. hierzu BGH, BeckRS 2021, 39385) geleistet werde, nicht zur Berechnungsgrundlage zähle. Ebenso sei der gem. § 1 Abs. 2 Nr. 5 InsVV nicht zu berücksichtigende Zuschuss, den ein Dritter zur Erfüllung eines Insolvenzplans oder zum Zweck der Erteilung der Restschuldbefreiung vor Ablauf der Abtretungsfrist geleistet habe, nicht Teil des insolvenzbefangenen Vermögens des Schuldners. Dies gelte erst recht für Darlehen, die zur Erfüllung des Insolvenzplans zur Verfügung gestellt werden (vgl. BGH NZI 2011, 445).

Jedenfalls sei der Fall, in dem der Prozessfinanzierer einen Erlösanteil als Gegenleistung für die Übernahme der Masse entstehenden Kosten erhalte, nicht mit der von § 1 Abs. 2 Nr. 5 InsVV geregelten Interessenlage vergleichbar. Denn bei der Forderung handele es sich um insolvenzbefangenes Vermögen des Schuldners.

Es fehle vielmehr bereits an einem Zufluss aus der Verwertung der Forderung, der den Wert der Insolvenzmasse iSd § 63 Abs. 1 S. 2 InsO, § 1 Abs. 1 S. 1 InsVV erhöhen könnte, soweit der Erlös dem Prozessfinanzierer zustehe.

Praxishinweis

Mit der zulässigerweise (vgl. Fischer, NZI 2014, 241 f.) vorgenommenen Art der Verwertung der Forderung ist die Forderung selbst dazu eingesetzt worden, ihre Durchsetzung zu finanzieren. Dabei ist unerheblich, welchem Vertragstyp die Vereinbarung mit einem Prozessfinanzierer zuzuordnen ist. Der Insolvenzverwalter überträgt bei Vereinbarungen mit dem Prozessfinanzierer von vornherein einen Teil der Forderungen auf den Prozessfinanzierer und überlässt ihm daher im Erfolgsfall einen Teil des insolvenzbefangenen Vermögens. Die Prozessfinanzierung erfolgt gegen eine Erfolgsbeteiligung (vgl. Frechen/Kochheim, NJW 2004, 1213 f.). Hierauf wies der Senat ergänzend hin.

Es müssen jedoch gewisse Voraussetzungen erfüllt sein, damit ein Prozessfinanzierer die Kosten für ein Verfahren übernimmt. Zum einen wird in der Regel ein Mindestbetrag eines Streitwertes gefordert. In der Regel wird ein Streitwert von mindestens 50.000 EUR angesetzt. Des Weiteren begutachtet der Prozessfinanzierer, ob die gegnerische Partei zahlungsfähig ist. Bei Unternehmen wird beispielsweise überprüft, ob in der näheren Zukunft eine Insolvenz drohen könnte. Verfügt der Gegner über keine ausreichenden Mittel, um bei einem für ihn negativen Ausgang des Prozesses die Gegenseite auszuzahlen, stehen die Chancen gering, dass einer Finanzierung zugestimmt wird. Eine dritte Voraussetzung besteht darin, dass ein positiver Ausgang des Verfahrens zu erwarten sein muss. Dies ist in aller Regel gegeben, wenn die Erfolgschancen bei über 50 % liegen.

BGH, Beschluss vom 16.12.2021 - IX ZB 24/21 (LG Köln), BeckRS 2021, 43996