Anmerkung von
Rechtsanwalt Dr. Hans-Jochem Mayer, Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Fachanwalt für Arbeitsrecht, Bühl
Aus beck-fachdienst Vergütungs- und Kostenrecht 15/2020 vom 23.07.2020
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Sachverhalt
Die Parteien stritten um Ansprüche aus dem sogenannten Dieselskandal. Das Landgericht Mannheim stellte per Urteil unter anderem fest, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger Schadensersatz für Schäden zu zahlen, die aus der Ausstattung des Fahrzeugs mit der manipulierenden Motorsoftware resultieren. Mit ihrer Berufung verfolgte die Beklagte die vollständige Klageabweisung, der Kläger begehrte unter anderem die Verurteilung der Beklagten zu einer weiteren Zahlung (angeblicher Minderwert). Der Senat stellte das Zustandekommen eines Vergleiches fest, in dem sich die Beklagte zur Zahlung eines Betrages verpflichtete.
Der Vergleich enthielt eine Klausel, wonach mit ihm sämtliche - behauptete, bestehende und/oder künftige - Ansprüche der Klagepartei im Zusammenhang mit der Verwendung der «Umschaltlogik» und deren Beseitigung durch das Software-Update abgegolten sind. Die Klägervertreterin begehrte die Festsetzung eines Vergleichsmehrwerts, da durch den Vergleich eine abschließende Regelung über alle auch nicht anhängigen Ansprüche gegen den Verkäufer des Fahrzeugs und Tochtergesellschaften der Beklagten getroffen worden sei. Zudem seien Ansprüche gegen die Beklagte etwa durch unvorhersehbare Schäden nach Durchführung des Software-Updates abgegolten worden. Das OLG wies den Antrag zurück.
Entscheidung: Anspruch zwischen Gläubiger und Schuldner nicht streitig
Der Antrag sei unbegründet, weil die im Vergleich enthaltene Abgeltungsklausel nicht zu einem Vergleichsmehrwert führe. Zwar könne es einen Vergleichsmehrwert begründen, wenn in einem Vergleich ein nicht rechtshängiger Anspruch zwischen zwei Parteien des Rechtsstreits oder einer Partei und einem Streithelfer mitgeregelt werde. Zu einem Mehrwert könne ein derartiger miterledigter Anspruch jedoch nur führen, soweit er zwischen Gläubiger und Schuldner streitig gewesen sei. Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe scheide ein Vergleichsmehrwert aus.
Soweit der Kläger meine, er könne wegen des Vergleichs zukünftige Ansprüche, etwa durch unvorhersehbare Schäden nach Durchführung des Software-Updates, gegen die Beklagte selbst nicht mehr geltend machen, könne daraus kein Vergleichsmehrwert folgen. Denn – abgesehen von der mangelnden Präzisierung derartiger Ansprüche – wären potentielle Folgeansprüche von dem den Streitgegenstand des Verfahrens bildenden und vom LG ausgeurteilten Feststellungsausspruch umfasst. Eine darüberhinausgehende Einigung im Vergleich bestehe demnach nicht.
Durch die Abgeltungsklausel mitgeregelte Ansprüche gegen den Händler oder Tochtergesellschaften der Beklagten beträfen am Rechtsstreit nicht beteiligte Dritte. Diese Ansprüche seien zudem weder zwischen den Parteien noch zwischen Gläubiger und Schuldner streitig gewesen. Damit könne auch die - auf Betreiben der Beklagten routinemäßig in den Vergleichstext aufgenommene - Abgeltungsklausel zu keinem Vergleichsmehrwert führen.
Praxishinweis
Nicht nur die Arbeitsgerichtsbarkeit (siehe etwa zuletzt LAG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 28.05.2020 - 26 Ta (Kost) 6014/20, BeckRS 2020,13779 m. Anm. Mayer FD-RVG 2020, 430394), sondern auch die Zivilgerichtsbarkeit beschäftigt sich mit dem Thema Vergleichsmehrwert. Das OLG Karlsruhe arbeitet in dem berichteten Beschluss zutreffend heraus, dass ein Vergleichsmehrwert nur durch Mitregelung weiterer streitiger Ansprüche entstehen kann und liegt damit auf der Linie des OLG München (Beschluss vom 15.01.2020 - 24 U 1530/19, BeckRS 2020, 165 m. Anm. Mayer FD-RVG 2020, 425851) und des OLG Stuttgart (Beschluss vom 28.03.2018 - 10 W 8/18, BeckRS 2018, 5759).
OLG Karlsruhe, Beschluss vom 26.06.2020 - 17 U 96/20, BeckRS 2020, 14397