Urteilsanalyse
Verdacht der Tötung des Vermieters rechtfertigt Kündigung
Urteilsanalyse
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Besteht gegen den Geschäftsführer des Mieters der dringende Tatverdacht, den Vermieter getötet zu haben, rechtfertigt dies nach einem Beschluss des OLG Frankfurt am Main eine fristlose Kündigung des Mietverhältnisses über Gewerberäume.

14. Apr 2021

Anmerkung von
Rechtsanwalt Prof. Dr. Wolf-Rüdiger Bub und Rechtsanwalt Nikolay Pramataroff
Rechtsanwälte Bub, Memminger & Partner, München, Frankfurt a.M.

Aus beck-fachdienst Miet- und Wohnungseigentumsrecht 07/2021 vom 08.04.2021

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Sachverhalt

Die Kläger, ein Ehepaar, hatten seit 2011 eine Gewerbefläche und Räume zum Betrieb eines Kfz-Handels an den Geschäftsführer der Beklagten vermietet. Nach Unstimmmigkeiten im Jahr 2015 schlossen die Parteien einen Vergleich, wonach das Objekt nunmehr von der Beklagten gegen Übernahme zahlreicher Verpflichtungen genutzt werden durfte. Da verschiedene Verpflichtungen von der Beklagten nicht eingehalten wurden, kündigten die Kläger mehrmals fristlos das Mietverhältnisses. Das Landgericht hatte die Räumungsklage abgewiesen. Während des Berufungsverfahrens, Anfang 2021, verschwand der Kläger spurlos und wurde als vermisst gemeldet. Gegen den Geschäftsführer der Beklagten wird wegen des Verdachts des Totschlags des Klägers ermittelt. Der Geschäftsführer befindet sich gegenwärtig in Untersuchungshaft. Wegen dieses Verdachts kündigte die Vermieterseite das Mietverhältnis erneut fristlos.

Entscheidung 

Die Kläger haben einen Anspruch auf Räumung und Herausgabe der Mieträume, da das Mietverhältnis wirksam durch die fristlose Kündigung beendet worden sei. Gegen den Geschäftsführer der Beklagten bestehe der Verdacht, den Kläger getötet zu haben, nachdem dieser Ende Januar 2021 spurlos verschwunden und nur sein Auto und Telefon gefunden worden seien. Die Grundsätze einer Verdachtskündigung aus dem Arbeitsrecht seien insoweit auf das gewerbliche Mietrecht übertragbar. Grundsätzlich könnten Tätlichkeiten des Mieters gegenüber dem Vermieter auch ohne Abmahnung zu einer fristlosen Kündigung des Mietverhältnisses führen. Sie müssten allerdings grundsätzlich bewiesen sein.

Handele es sich aber um eine besonders schwere Pflichtverletzung, wie etwa den Verdacht, dass der Mieter den Vermieter vorsätzlich getötet oder ermordet habe, so reiche eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für die Begehung der Tat aus, falls wegen dieser gegen den Mieter Untersuchungshaft angeordnet worden sei. Für den Vermieter sei es nicht zumutbar, zunächst die rechtskräftige Verurteilung des Mieters abzuwarten. Dies könne bei anderweitigen Verfehlungen und Straftaten anders sein, etwa bei Sachbeschädigung, Diebstahl oder Beeinträchtigung der Vermögensinteressen des Vermieters, nicht jedoch bei Mord oder Totschlag.

Praxishinweis

Der nicht rechtskräftigen Entscheidung, die bisher nur als Pressemitteilung vorliegt, ist zuzustimmen.

Zur außerordentlichen Kündigung bedarf es stets eines wichtigen Grundes, der dann vorliegt, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann (§ 543 Abs. 1 Satz 2 BGB).

Die im Arbeitsrecht anerkannte „Verdachtskündigung“ ist im Mietrecht im Regelfall ausgeschlossen (Blank/Börstinghaus, 6. Auflage 2020, § 573 BGB Rn. 10). Da es aber um die Frage der Zumutbarkeit geht, ist der Einzelfall entscheidend. So hat zB das Landgericht Itzehoe (Urteil vom 20.07.2018 – 9 S 70/17, NJOZ 2019, 407) eine außerordentliche Kündigung für wirksam erachtet, wenn der Mieter erstinstanzlich wegen sexuellen Missbrauchs der gemeinsamen Tochter zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden ist, auch wenn das Urteil zum Zeitpunkt der Kündigung nicht rechtskräftig war.

Ähnlich verhält es sich im vorliegenden Fall. Der Geschäftsführer der Mieterin wird beschuldigt, den Vermieter getötet zu haben und befindet sich aus diesem Grund in Untersuchungshaft, wofür ein dringender Tatverdacht notwendig ist (§ 112 StPO). Aufgrund der objektiven und subjektiven – Ehemann der Vermieterin – Schwere der dem Mieter vorgeworfenen Tat und dem Umstand des dringenden Tatverdachts ist es einem Vermieter nicht zumutbar, das Mietverhältnis aufrechtzuerhalten.

Dem Vermieter ist es auch nicht zumutbar, vor der Kündigung dem Geschäftsführer der Mieterin die Gelegenheit zu geben, Verdachtsgründe und -momente zu beseitigen bzw. zu entkräften und ggf. Entlastungstatsachen geltend zu machen (so AG Lichtenberg, Beschluss vom 20.01.2003 - 7 C 319/02, NJW-RR 2003, 442, allerdings zum Vorwurf, der Mieter habe einen Molotow-Cocktails aus der Mietwohnung abgeworfen und damit konkret Passanten gefährdet).

OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 31.03.2021 - 2 U 13/20 (LG Hanau), FD-MietR 2021, 437748