Urteilsanalyse
Verbandsvertreter ohne Zulassung als Syndikusrechtsanwalt muss ERV trotz Anwaltszulassung nicht nutzen
Urteilsanalyse
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Ist ein Verbandsvertreter nicht als Syndikusrechtsanwalt zugelassen, ist er im Rahmen seiner Tätigkeit für den Verband (noch) nicht verpflichtet, den elektronischen Rechtsverkehr zu nutzen. Dies gilt nach dem BAG auch dann, wenn dieser außerhalb seines Arbeitsverhältnisses zum Verband über eine Zulassung als Rechtsanwalt verfügt, im konkreten Verfahren aber nicht mandatiert ist.

20. Okt 2023

Anmerkung von
Rechtsanwalt Dr. Hans-Jochem Mayer, Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Fachanwalt für Arbeitsrecht, Bühl

Aus beck-fachdienst Vergütungs- und Kostenrecht 21/2023 vom 19.10.2023

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Sachverhalt

In einem arbeitsgerichtlichen Verfahren um tarifliche Nachtarbeitszuschläge wurde der Arbeitnehmer durch einen DGB-Rechtssekretär vertreten. Der Arbeitnehmer nahm seine Revision zurück. Der Rechtssekretär versandte den Schriftsatz vorab per Fax und später im Original – elektronisch wurde er nicht eingereicht. Der Rechtssekretär war nicht als Syndikusrechtsanwalt, unabhängig von seinem Arbeitsverhältnis aber als Rechtsanwalt zugelassen; als Anwalt hatte er auch ein besonderes elektronisches Anwaltspostfach (beA). Der Kläger war der Auffassung, dass mit dem im Original eingereichten Schriftsatz die Revision wirksam zurückgenommen worden sei. Der Schriftsatz habe nicht elektronisch übermittelt werden müssen: Die DGB Rechtsschutz GmbH selbst sei erst ab 2026 zur aktiven Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs (ERV) verpflichtet. DGB-Rechtssekretäre, die in Nebentätigkeit als Rechtsanwälte zugelassen seien, müssten nicht ihr anwaltliches beA nutzen.

Entscheidung: Tätigkeit gegenüber Gericht zugrunde liegendes Rechtsverhältnis maßgeblich

Laut BAG wurde Revision wirksam zurückgenommen.

Für die DGB Rechtsschutz GmbH bestehe noch keine aktive ERV-Nutzungspflicht. Auch der Rechtssekretär habe den ERV mangels Zulassung als Syndikusrechtsanwalt (noch) nicht nutzen müssen. Seine unabhängig von dem Arbeitsverhältnis bestehende Anwaltszulassung begründe keine solche Verpflichtung. Er sei weder von der DGB Rechtsschutz GmbH noch vom Kläger als Anwalt mandatiert worden. Vielmehr sei er im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses als mit der Prozessführung beauftragter Vertreter des Verbands tätig geworden.

Für die ERV-Nutzungspflicht sei aber das Rechtsverhältnis maßgeblich, in dessen Rahmen eine Person nach § 46g Satz 1 ArbGG gegenüber dem Gericht tätig werde. Betreffe das Rechtsverhältnis die Tätigkeit als Rechtsanwalt oder Syndikusrechtsanwalt, bestehe die ERV-Nutzungspflicht. Dagegen greife diese Pflicht nicht, wenn Personen, ohne über die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt zu verfügen und ohne im Rahmen ihrer Zulassung als Rechtsanwalt mandatiert zu sein, für den Verband als nicht anwaltliche Verbandsvertreter handelten. In einem solchen Fall sei der handelnde Verbandsvertreter nicht als (Syndikus-)Rechtsanwalt am Prozess beteiligt, sondern handele in einem anderen Rechtsverhältnis.

Praxishinweis

Der BGH hat in seinem Beschluss vom 23.05.2023 (Az.: 10 AZB 18/22, BeckRS 2023, 12107) entschieden, dass ein Syndikusrechtsanwalt, der für einen Verband nach den Bestimmungen des ArbGG und der BRAO erlaubte Rechtsdienstleistungen gegenüber den Verbandsmitgliedern erbringt, berechtigt und verpflichtet ist, auch schon vor dem 01.01.2026 den elektronischen Rechtsverkehr aktiv zu nutzen, wenn er gegenüber einem Gericht tätig wird und beispielsweise ein Rechtsmittel einlegt. In der berichteten Entscheidung hat das BAG die Abgrenzung vorgenommen, dass dies derzeit für den nicht als Syndikusrechtsanwalt zugelassenen Verbandsvertreter noch nicht gilt, und zwar auch dann nicht, wenn er außerhalb seiner Tätigkeit als Verbandsvertreter auch über eine Rechtsanwaltszulassung verfügt.

BAG, Beschluss vom 21.09.2023 - 10 AZR 512/20 (LAG Hamm), BeckRS 2023, 26384