Urteilsanalyse

Ver­bands­ver­tre­ter ohne Zu­las­sung als Syn­di­kus­rechts­an­walt muss ERV trotz An­walts­zu­las­sung nicht nut­zen
Urteilsanalyse
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© Stefan Yang / stock.adobe.com
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Ist ein Ver­bands­ver­tre­ter nicht als Syn­di­kus­rechts­an­walt zu­ge­las­sen, ist er im Rah­men sei­ner Tä­tig­keit für den Ver­band (noch) nicht ver­pflich­tet, den elek­tro­ni­schen Rechts­ver­kehr zu nut­zen. Dies gilt nach dem BAG auch dann, wenn die­ser au­ßer­halb sei­nes Ar­beits­ver­hält­nis­ses zum Ver­band über eine Zu­las­sung als Rechts­an­walt ver­fügt, im kon­kre­ten Ver­fah­ren aber nicht man­da­tiert ist.

20. Okt 2023

An­mer­kung von
Rechts­an­walt Dr. Hans-Jo­chem Mayer, Fach­an­walt für Ver­wal­tungs­recht und Fach­an­walt für Ar­beits­recht, Bühl

Aus beck-fach­dienst Ver­gü­tungs- und Kos­ten­recht 21/2023 vom 19.10.2023

Diese Ur­teils­be­spre­chung ist Teil des zwei­wö­chent­lich er­schei­nen­den Fach­diens­tes Ver­gü­tungs- und Kos­ten­recht. Neben wei­te­ren aus­führ­li­chen Be­spre­chun­gen der ent­schei­den­den ak­tu­el­len Ur­tei­le im Ver­gü­tungs- und Kos­ten­recht be­inhal­tet er er­gän­zen­de Leit­satz­über­sich­ten und einen Über­blick über die re­le­van­ten neu er­schie­ne­nen Auf­sät­ze. Zudem in­for­miert er Sie in einem Nach­rich­ten­block über die wich­ti­gen Ent­wick­lun­gen in Ge­setz­ge­bung und Pra­xis des Ver­gü­tungs- und Kos­ten­rechts. Wei­te­re In­for­ma­tio­nen und eine Schnell­be­stell­mög­lich­keit fin­den Sie unter www.​beck-​online.​de

Sach­ver­halt

In einem ar­beits­ge­richt­li­chen Ver­fah­ren um ta­rif­li­che Nacht­ar­beits­zu­schlä­ge wurde der Ar­beit­neh­mer durch einen DGB-Rechts­se­kre­tär ver­tre­ten. Der Ar­beit­neh­mer nahm seine Re­vi­si­on zu­rück. Der Rechts­se­kre­tär ver­sand­te den Schrift­satz vorab per Fax und spä­ter im Ori­gi­nal – elek­tro­nisch wurde er nicht ein­ge­reicht. Der Rechts­se­kre­tär war nicht als Syn­di­kus­rechts­an­walt, un­ab­hän­gig von sei­nem Ar­beits­ver­hält­nis aber als Rechts­an­walt zu­ge­las­sen; als An­walt hatte er auch ein be­son­de­res elek­tro­ni­sches An­walts­post­fach (beA). Der Klä­ger war der Auf­fas­sung, dass mit dem im Ori­gi­nal ein­ge­reich­ten Schrift­satz die Re­vi­si­on wirk­sam zu­rück­ge­nom­men wor­den sei. Der Schrift­satz habe nicht elek­tro­nisch über­mit­telt wer­den müs­sen: Die DGB Rechts­schutz GmbH selbst sei erst ab 2026 zur ak­ti­ven Nut­zung des elek­tro­ni­schen Rechts­ver­kehrs (ERV) ver­pflich­tet. DGB-Rechts­se­kre­tä­re, die in Ne­ben­tä­tig­keit als Rechts­an­wäl­te zu­ge­las­sen seien, müss­ten nicht ihr an­walt­li­ches beA nut­zen.

Ent­schei­dung: Tä­tig­keit ge­gen­über Ge­richt zu­grun­de lie­gen­des Rechts­ver­hält­nis ma­ß­geb­lich

Laut BAG wurde Re­vi­si­on wirk­sam zu­rück­ge­nom­men.

Für die DGB Rechts­schutz GmbH be­stehe noch keine ak­ti­ve ERV-Nut­zungs­pflicht. Auch der Rechts­se­kre­tär habe den ERV man­gels Zu­las­sung als Syn­di­kus­rechts­an­walt (noch) nicht nut­zen müs­sen. Seine un­ab­hän­gig von dem Ar­beits­ver­hält­nis be­stehen­de An­walts­zu­las­sung be­grün­de keine sol­che Ver­pflich­tung. Er sei weder von der DGB Rechts­schutz GmbH noch vom Klä­ger als An­walt man­da­tiert wor­den. Viel­mehr sei er im Rah­men sei­nes Ar­beits­ver­hält­nis­ses als mit der Pro­zess­füh­rung be­auf­trag­ter Ver­tre­ter des Ver­bands tätig ge­wor­den.

Für die ERV-Nut­zungs­pflicht sei aber das Rechts­ver­hält­nis ma­ß­geb­lich, in des­sen Rah­men eine Per­son nach § 46g Satz 1 ArbGG ge­gen­über dem Ge­richt tätig werde. Be­tref­fe das Rechts­ver­hält­nis die Tä­tig­keit als Rechts­an­walt oder Syn­di­kus­rechts­an­walt, be­stehe die ERV-Nut­zungs­pflicht. Da­ge­gen grei­fe diese Pflicht nicht, wenn Per­so­nen, ohne über die Zu­las­sung als Syn­di­kus­rechts­an­walt zu ver­fü­gen und ohne im Rah­men ihrer Zu­las­sung als Rechts­an­walt man­da­tiert zu sein, für den Ver­band als nicht an­walt­li­che Ver­bands­ver­tre­ter han­del­ten. In einem sol­chen Fall sei der han­deln­de Ver­bands­ver­tre­ter nicht als (Syn­di­kus-)Rechts­an­walt am Pro­zess be­tei­ligt, son­dern han­de­le in einem an­de­ren Rechts­ver­hält­nis.

Pra­xis­hin­weis

Der BGH hat in sei­nem Be­schluss vom 23.05.2023 (Az.: 10 AZB 18/22, BeckRS 2023, 12107) ent­schie­den, dass ein Syn­di­kus­rechts­an­walt, der für einen Ver­band nach den Be­stim­mun­gen des ArbGG und der BRAO er­laub­te Rechts­dienst­leis­tun­gen ge­gen­über den Ver­bands­mit­glie­dern er­bringt, be­rech­tigt und ver­pflich­tet ist, auch schon vor dem 01.01.2026 den elek­tro­ni­schen Rechts­ver­kehr aktiv zu nut­zen, wenn er ge­gen­über einem Ge­richt tätig wird und bei­spiels­wei­se ein Rechts­mit­tel ein­legt. In der be­rich­te­ten Ent­schei­dung hat das BAG die Ab­gren­zung vor­ge­nom­men, dass dies der­zeit für den nicht als Syn­di­kus­rechts­an­walt zu­ge­las­se­nen Ver­bands­ver­tre­ter noch nicht gilt, und zwar auch dann nicht, wenn er au­ßer­halb sei­ner Tä­tig­keit als Ver­bands­ver­tre­ter auch über eine Rechts­an­walts­zu­las­sung ver­fügt.

BAG, Be­schluss vom 21.09.2023 - 10 AZR 512/20 (LAG Hamm), BeckRS 2023, 26384