NJW-Editorial
Verantwortung ohne Ehe
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Das Bundesjustizministerium hat ein Eckpunktepapier zur Verantwortungsgemeinschaft vorgelegt, die „jenseits von Liebesbeziehungen oder der Ehe zwei oder mehr volljährigen Personen ermöglichen [soll], rechtlich füreinander Verantwortung zu übernehmen“. Eine solche Gemeinschaft wird durch notariellen Vertrag begründet und kann jederzeit gekündigt werden. Prof. Dr. Martin Löhnig findet das in unserem Editorial weitgehend überflüssig.

29. Feb 2024

Eine solche ­Gemeinschaft wird durch notariellen Vertrag begründet und kann jederzeit gekündigt werden. Die zwei bis sechs volljährigen Beteiligten haben die Wahl zwischen unterschiedlichen Rechtsfolgen. Eine verpflichtende Grundstufe knüpft an das Bestehen einer persönlichen Nähebeziehung an, was sich im Bereich des Betreuungs- oder Organspenderrechts auswirkt. Hinzu kommt eine „Menükarte“ von vier Aufbaumodulen. Das Modul „Auskunft und Vertretung in Gesundheitsangelegenheiten“ schaltet § 1358 BGB frei. Das Modul „Zusammenleben“ macht die § 1357 BGB (Schlüsselgewalt) und § 1361b BGB (Wohnungsüberlassung) anwendbar. Das Modul „Pflege und Fürsorge“ stellt die Beteiligten den nahen Angehörigen nach § 7 III PflegezeitG gleich. Das Modul „Zugewinngemeinschaft“ macht den gleichnamigen gesetzlichen Güterstand anwendbar, aller­dings nur bei Verantwortungsgemeinschaften mit lediglich zwei Beteiligten. Die Verantwortungsgemeinschaft deckt also ein breites Spektrum ab – von Nachbarn, die sich wechselseitig umeinander kümmern, über Wohngemeinschaften (vor ­allem wohl Alters-WGs) bis hin zu exklusiven Paarbeziehungen.

Ihre Einführung jenseits der Paarbeziehung ist allerdings schlicht überflüssig. Die Anliegen der Beteiligten lassen sich bereits mithilfe der Vorsorgevollmacht bestens (und auch ohne notarielle Beurkundung) erfüllen. Allerdings sollte in der Tat eine Erweiterung des PflegezeitG zugunsten von Vorsorgebevollmächtigten erfolgen. Im Bereich der Paarbeziehung möchte die Verantwortungsgemeinschaft – entgegen der eingangs zitierten Beteuerung – „Ehe light“ sein, und es stellt sich deshalb die Frage nach der Notwendigkeit eines solchen Regelungsregimes. Sie ist zu bejahen, zumal die Rechtsprechung des BGH diesen Weg bereits seit 2008 praeter legem eingeschlagen hat. Gegenwärtig wird der wirtschaftlich schwächere Ex-Partner freilich auf eine rechtsunsichere Einzelfallrechtsprechung verwiesen; dieses Defizit sollte der Gesetzgeber ausräumen. Eine gesetzliche Regelung darf jedoch nicht als „Ehe light“ konzipiert sein, die einen formalen Begründungsakt vorsieht. Vorzugswürdig ist ein Auffangregime, das kraft Gesetzes zum Ausgleich partnerschaftsbedingter Nachteile nach Auflösung einer faktischen Partnerschaft (oder sonstigen Solidargemeinschaft) führt. Vorbild könnte das katalanische Zivilgesetzbuch sein, das für faktische Lebensgemeinschaften, aber auch für Wohngemeinschaften, die auf gegenseitiger Hilfeleistung basieren, entsprechende Tatbestände regelt, die an lediglich faktische Gegebenheiten anknüpfen. Zudem stünde es dem Gesetzgeber gut an, die Ehe als solche zeitgemäßer auszugestalten, anstatt ein Konkurrenzprodukt auf den Weg zu bringen.

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Prof. Dr. Martin Löhnig lehrt ua Bürgerliches Recht an der Universität Regensburg.