Kolumne
Verantwortung mit Augenmaß
Kolumne
Lorem Ipsum

Die politische Diskussion um ein Lieferkettengesetz hat Fahrt aufgenommen. Deutsche Unternehmen sollten bei Menschenrechtsverstößen ihrer Lieferanten haftbar gemacht werden. Ein solches Gesetz wäre nicht ohne Vorbild. In Frankreich gibt es seit 2017 die Loi de la Vigilance, in Großbritannien schon seit 2015 den deutlich fokussierteren Modern Slavery Act. 

24. Aug 2020

Erste Reaktionen zeigen, was auch für Deutschland gelten dürfte: Ein Gesetz kann helfen, auch bei den bislang unwilligen Unternehmen Rahmenbedingungen zu etablieren, damit menschenrechtskonformes Verhalten von Lieferanten eingefordert und kontrolliert wird. Vorläufer gibt es auch in Deutschland seit Mai dieses Jahres für den Import vom Zinn, Tantal, Wolfram, deren Erzen und Gold aus Konflikt- und Hochrisikogebieten.

Kommt ein solches Gesetz, dann wird entscheidend sein, ob das, was das Gesetz von deutschen Unternehmen verlangt, tatsächlich verhältnismäßig und zumutbar ist, wie die bereits vorliegenden Eckpunkte betonen. Die hierfür regelmäßig zitierten Leitprinzipien der UN können dafür Anhaltspunkte geben, mehr aber auch nicht. Der Teufel steckt im Detail. Da ist zum einen die Konkretisierung der Kontrollpflichten, wo sich Branchenstandards (noch) nicht entwickelt haben. Wie sind diese zu differenzieren im Hinblick auf die Größe des Unternehmens, die Art der Branche und deren Risikopotenzial, den Platz des Lieferanten in der einer längeren Kette? Das setzt sich fort in prozessualen Fragen: Wer trägt für was die Beweislast? Welche Beweiserleichterungen einerseits, welche Exkulpationsmöglichkeiten andererseits soll es geben? Wer kann klagen, wo und worauf? Soll es ein Verbandsklagerecht für NGOs geben? Soll ein Forum für die gerichtliche Auseinandersetzung nur in Deutschland gegeben sein oder auch im Drittland mit gegebenenfalls wenig vertrauenswürdiger Justiz? Welcher und wessen Schaden ist ersetzbar? Soll eine Kumulation von Verbindlichkeiten nach deutschem und ausländischem Recht möglich sein? Denn trifft eine nationale gesetzliche Regelung, die bewusst ohne Sanktionen Menschenrechtsverletzungen bekämpfen möchte, auf eine andere Rechtsordnung, dann kann dies gegebenenfalls zur Haftbarkeit nach lokalem, etwa nach USRecht führen. Wieweit sollen die Berichtspflichten im Hinblick auf die Maßnahmen zur Einhaltung des Gesetzes gehen? Worauf sollen sie sich erstrecken, welche Detailtiefe ist erforderlich?

Auch die, die in der Befürwortung eines solchen Gesetzes übereinstimmen, können hier sehr unterschiedliche Antworten geben. Es gilt zu verstehen, warum Unternehmen und Unternehmensverbände ein solches Gesetz zurückweisen. Es sind die Erfahrungen unserer Nachbarn zu sichten, mögliche Fehlwirkungen klar zu adressieren, und es ist in bedachten, aber mutigen Schritten voranzugehen – am besten im Konvoi einer europäischen Initiative, will man einen Flickenteppich nationaler Regelungen vermeiden. Es geht um Verantwortung mit Augenmaß. Wichtiger als harte Sanktionen sind klare Leitlinien im Hinblick auf die Erwartungen des Gesetzgebers, aber auch der Gesellschaft. •

Prof. Dr. Gregor Thüsing, LL.M., ist Direktor des Instituts für Arbeitsrecht und Recht der sozialen Sicherheit der Universität Bonn.