Urteilsanalyse
Vakanzvertretungen bei psychologischen Psychotherapeuten – Anzeige- oder Genehmigungspflicht
Urteilsanalyse
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Eine sechswöchige Vakanzvertretung ist nach dem SG Marburg auch bei angestellten Psychotherapeuten nur anzeigepflichtig. Die Vertretung kann - sofern nicht entsprechende Genehmigungen vorliegen - aufgrund des Grundsatzes der persönlichen Leistungserbringung keine genehmigungspflichtigen psychotherapeutischen Leistungen nach Kapitel 35 EBM umfassen.

6. Jun 2023

Anmerkung von 
Rechtsanwalt Florian Elsner, BUSSE & MIESSEN Rechtsanwälte Partnerschaft mbB, Berlin
 
Aus beck-fachdienst Medizinrecht 06/2023 vom 02.06.2022

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Sachverhalt

Die Beteiligte stritten über die rückwirkende Aufklärung der Zulässigkeit einer Vertretung von sowohl genehmigungs- als auch nicht genehmigungspflichtigen psychotherapeutischen Leistungen.

Die Klägerin (Kl.) nahm als MVZ, das überwiegend psychotherapeutische Leistungen erbringt, an der vertragsärztlichen Versorgung teil und beantragte die Genehmigung der Vertretung für die ausscheidende angestellte Psychotherapeutin A, durch die ebenfalls approbierte Psychotherapeutin B, auf der bis zur Genehmigung der Anstellung der B durch den ZA vakanten Angestelltenstelle. Ferner beantragte die Kl. die Genehmigung für die Ausführung und Abrechnung genehmigungspflichtiger psychotherapeutischer Leistungen durch die B. Die Beklagte (Bekl.). lehnte beide Anträge der Kl. mit der Begründung ab, dass eine Vertretung im Rahmen von genehmigungspflichtigen psychotherapeutischen Leistungen, einschließlich probatorischer Sitzungen, ausnahmslos unzulässig sei. Eine adäquate Vertretung für eine psychologische Psychotherapeutin ohne die Erbringung genehmigungspflichtiger Leistungen durch die Vertreterin sei nicht darstellbar. Hiergegen legte die Kl. Widerspruch ein. Eine genehmigungsfreie Vertretung sei zulässig, wenn der Vertreter dieselbe Qualifikation aufweise wie der Vertretene. Dieser habe sich lediglich zu vergewissern, dass die Qualifikationsvoraussetzungen von dem Vertreter erfüllt würden. Der Vertreter müsse nicht über die Abrechnungsgenehmigung verfügen. Nachdem die Bekl. den Widerspruch zurückwies, erhob die Kl. die gegenständliche Klage.

Entscheidung

Die zulässige Klage sei teilweise begründet, soweit die Beklagte die Vertretung für nicht genehmigungspflichtige Leistungen (Psychotherapeutisches Gespräch als Einzelbehandlung) versagt hat. Zur Überzeugung der Kammer bestand für die Vertretung nur eine Anzeigepflicht.

Gem. § 32b Abs. 6 Ärzte-ZV sei die Beschäftigung eines Vertreters für einen angestellten Arzt zulässig; § 32 Abs. 1 und 4 gälten entsprechend. Eine Genehmigungspflicht nach § 32 Abs. 2 bestehe nicht, da § 32b Abs. 6 Satz 1 Ärzte-ZV ausdrücklich nicht auf Absatz 2 der Vorschrift verweise. Die Vertreterin habe auch die für die Vertretung erforderliche Qualifikation, da sie approbierte psychologische Psychotherapeutin sei. § 14 Abs. 1 BMV-Ä bestimme, dass sich der Vertretene darüber zu vergewissern habe, dass der Vertreter die Qualifikationsanforderungen gem. § 11 BMV-Ä erfülle. Für die Leistungserbringung durch Angestellte in einem MVZ gelte § 11 Abs. 1 Satz 3 BMV-Ä. Ausreichend sei demnach, dass der Vertreter die Qualifikationsvoraussetzungen erfülle. Soweit die Bekl. einwende, die Vertretung setze die gleichen Genehmigungen voraus, die auch der Vertretene innehabe, entbehre diese Interpretation jeglicher rechtlichen Grundlage.

Entgegen der Auffassung der Kl. sei jedoch eine Vertretung für genehmigungspflichtige psychotherapeutische Leistungen aufgrund der Ausschlussklausel des § 14 Abs. 3 BMV-Ä nicht möglich. Der Grundsatz persönlicher Leistungserbringung habe im Vertragsarztrecht eine zentrale Bedeutung. Es bestehe die Pflicht des zur Leistungserbringung Berechtigten, seine Leistungen persönlich zu erbringen, soweit nicht ein Ausnahmefall delegierbarer Leistungen vorliege. Diese Pflicht diene der Sicherung der hohen Qualität der vertragsärztlichen Versorgung. Diese könne nur gewährleistet werden, wenn die Leistungen von demjenigen persönlich erbracht werden, der auf der Grundlage der Regelungen über die Zulassung oder Anstellung als befähigt angesehen worden sei, qualitätsgerechte Leistungen zu gewährleisten. Diese Befähigung werde insbesondere durch die formale Erteilung entsprechender Genehmigungen sichergestellt. Soweit die Kl. darauf hinweise, § 14 Abs. 3 BMV-Ä beziehe sich nicht auf die Abrechnungsgenehmigung durch die KV beziehe, sondern die Genehmigung der Therapie im Einzelfall durch die Krankenkasse könne dies offenbleiben, weil ein entsprechender Wechsel der Therapeutin von der Krankenkasse nicht genehmigt gewesen sei.

Praxishinweis

Besonders bemerkenswert erscheinen die gerichtlichen Ausführungen zur bloßen Anzeigepflicht von sog. §-32b-Vertretungen in Anbetracht der seitens der KVen vielfach gelebten Genehmigungspraxis. Die Rechtskraft des Urteils ist unbekannt.

SG Marburg, Urteil vom 15.03.2023 - S 17 KA 130/22, BeckRS 2023, 7268