Urteilsanalyse
Urkundenprozess und Klage auf Miete
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Der Statthaftigkeit des Urkundenprozesses steht es nach Ansicht des Bundesgerichtshofs nicht entgegen, wenn der beklagte Mieter Unmöglichkeit oder die Störung der Geschäftsgrundlage geltend macht. 

13. Apr 2022

Anmerkung von
Richter am Kammergericht Dr. Oliver Elzer, Berlin

Aus beck-fachdienst Zivilverfahrensrecht 07/2022 vom 08.04.2022

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Sachverhalt

Vermieter K begehrt im Urkundenprozess von der Mieterin B Zahlung restlicher Gewerberaummiete für die Monate April bis Juni 2020. B meint, die Mietsache sei wegen eines „Lock-Downs“ nachträglich (zeitweise) mangelhaft geworden. Fraglich ist, ob K berechtigt ist, die Miete im Wege des Urkundenprozesses einzuklagen.

Entscheidung: Die Klage ist zulässig!

§ 592 ZPO eröffne den Urkundenprozess unterschiedslos für die Geltendmachung aller Ansprüche, welche die Zahlung einer bestimmten Geldsumme zum Gegenstand hätten. Nach ständiger BGH-Rechtsprechung sei dies auch bei Mietforderungen der Fall.

Der Statthaftigkeit des Urkundenprozesses stehe es nicht entgegen, wenn der beklagte Mieter wegen behaupteter Mängel der Mietsache Minderung geltend mache oder die Einrede des nichterfüllten Vertrages nach § 320 BGB erhebe. Denn nach den auch im Urkundenprozess geltenden allgemeinen Beweislastgrundsätzen müsse der Vermieter zur Begründung des Anspruchs auf Mietzahlung neben der Vorlage eines wirksamen Mietvertrags, aus dem sich die Höhe der geschuldeten Miete ergebe, nur mit den im Urkundenprozess zulässigen Beweismitteln iSd § 592 S. 1 ZPO nachweisen, dass er seine vertragliche Pflicht, dem Mieter die Mietsache in vertragsgemäßem Zustand zu überlassen, erfüllt habe, sofern dies nicht sowieso unstreitig ist. Nach der Überlassung der Mietsache trage dagegen der Mieter die Beweislast dafür, dass die Mietsache zum Zeitpunkt der Übergabe mangelhaft gewesen sei, wenn er die ihm überlassene Sache als Erfüllung angenommen habe (Hinweis ua auf BGH NZM 2013, 614 Rn. 34 = FD-ZVR 2013, 348832 mAnm Elzer). Nicht anders verhalte es sich für Einwendungen gegen die Miete, die der Mieter aus Unmöglichkeit oder aus einer Störung der Geschäftsgrundlage herleiten wolle.

Praxishinweis

Es bleibt dabei: Ansprüche auf Miete aus einem gewerblichen Mietverhältnis oder für Wohnraummietverträge können im Urkundenprozess eingeklagt werden können. Der Statthaftigkeit steht jeweils nicht entgegen, dass der Mieter nachträglich Mängel der Mietsache behauptet und – diesen Vortrag als richtig unterstellt – der Anspruch auf die Miete gem. § 536 I BGB von Gesetzes wegen ganz oder teilweise erloschen ist.

Geht es hingegen um anfängliche Mängel, muss unterschieden werden. Ein Urkundenprozess ist möglich, wenn der Mieter die Mietsache als Erfüllung angenommen hat, ohne die später behaupteten Mängel zu rügen, sofern dies unstreitig ist oder vom Vermieter durch Urkunden bewiesen werden kann. Etwas anderes gilt, wenn die Mietsache unstreitig mit einem anfänglichen Mangel behaftet war und der Vermieter die Beseitigung des Mangels nicht urkundlich zu beweisen vermag (BGH ZMR 2011, 204 = BeckRS 2010, 29074 Rn. 10).

Der gewerbliche Vermieter hatte im Übrigen seine Anwaltskosten als Entgeltforderung eingeklagt. Es handelt sich aber eine Schadensersatzforderung. Der Prozesszins beträgt gem. §§ 288 I 2, II, 291 BGB daher (nur) fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz. Ferner hatte der Vermieter übersehen, dass er vorsteuerabzugsberechtigt ist und sich daher die für gem. § 15 I Nr. 1 UStG bestehende Möglichkeit, die auf die Anwaltsrechnung anfallende Umsatzsteuer von seiner eigenen Umsatzsteuerschuld abzusetzen, im Wege der Vorteilsausgleichung anrechnen lassen muss.

BGH, Urteil vom 16.02.2022 - XII ZR 17/21, BeckRS 2022, 3632