Urteilsanalyse
Untersagung des Abstellens von E-Autos in der Tiefgarage durch die Eigentümerversammlung
Urteilsanalyse
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Ein Beschluss der Eigentümerversammlung, der das Abstellen von E-Autos in der Tiefgarage bis auf weiteres untersagt, macht den individuellen Rechtsanspruch des § 20 Abs. 2 Nr. 2 WEG zunichte und verstößt damit gegen ein wesentliches gesetzgeberisches Ziel der WEG-Reform. Ein solcher Beschluss verstößt nach einem Urteil des AG Wiesbaden daher gegen die Grundsätze ordnungsgemäßer Verwaltung, auch wenn man zu Gunsten der Wohnungseigentümergemeinschaft als wahr unterstellt, dass die Brandgefahr bei Elektrofahrzeugen größer ist als bei Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor.

4. Apr 2022

Anmerkung von
Rechtsanwalt Prof. Dr. Wolf-Rüdiger Bub und Rechtsanwalt Nikolay Pramataroff,  Rechtsanwälte Bub, Memminger & Partner, München, Frankfurt a.M.

Aus beck-fachdienst Miet- und Wohnungseigentumsrecht 07/2022 vom 01.04.2022

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Sachverhalt

Die WEG beschließt mehrheitlich, dass das Abstellen von E-Autos in der Tiefgarage bis auf weiteres untersagt wird, weil bei einem Brand ein E-Auto gefährlicher als andere Fahrzeuge sei. Dieser Beschluss wird von der klagenden Eigentümerin mit der vorliegenden Klage angefochten. Sie meint, der Beschluss greife unzulässigerweise in ihr Sondernutzungsrecht ein und verstoße gegen das gesetzgeberische Ziel der Förderung der Elektromobilität.

Entscheidung

Die Klage hat Erfolg.

Der angegriffene Beschluss verstoße gegen die Grundsätze ordnungsgemäßer Verwaltung. Mit dem Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz habe der Gesetzgeber jedem einzelnen Wohnungseigentümer ein individuelles Recht auf die Gestattung baulicher Maßnahmen, die dem Laden elektrisch betriebener Fahrzeuge dienen, verschafft (§ 20 Abs. 2 Nr. 2 WEG). Dieser individuelle Anspruch, der nicht abdingbar sei, würde durch den angegriffenen Beschluss ins Leere laufen. Der einzelne Wohnungseigentümer könne zwar die Installation einer Lademöglichkeit erzwingen, könne sie jedoch anschließend nicht nutzen. Damit verstoße der angegriffene Beschluss gegen ein wesentliches gesetzgeberisches Ziel der WEG-Reform, da die Schaffung von Ladeinfrastruktur die „Triebfeder“ der WEG-Reform gewesen sei und mache einen individuellen Rechtsanspruch zunichte. Daher verstoße der angegriffene Beschluss gegen die Grundsätze ordnungsgemäßer Verwaltung, selbst wenn man zu Gunsten der Beklagten die behauptete besondere Brandgefahr von Elektrofahrzeugen als wahr unterstelle.

Praxishinweis

§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 WEG gewährt jedem Eigentümer gegenüber der Wohnungseigentümergemeinschaft das Recht, angemessene bauliche Veränderungen zu verlangen, die dem Laden elektrisch betriebener Fahrzeuge dienen. Auch ein Mieter hat diesen Anspruch gegen seinen Vermieter, vgl. § 554 Abs. 1 BGB.

Vorliegend geht es aber um eine vorgelagerte Frage, nämlich, ob überhaupt ein E-Auto in der Tiefgarage abgestellt werden darf. Da das Abstellen des Fahrzeugs in der Tiefgarage notwendige Voraussetzung für das Laden desselben ist, ist dem Amtsgericht zuzustimmen, dass ein Verbot des Abstellens des Fahrzeugs den vorgenannten Anspruch aushöhlt. Denn der Anspruch aus § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 WEG setzt das Recht voraus, das zu ladende Fahrzeug im Bereich der begehrten Lademöglichkeit abzustellen (Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 6 Rn. 194).

AG Wiesbaden, Urteil vom 04.02.2022 - 92 C 2541/21, BeckRS 2022, 3855