Urteilsanalyse
Unpfändbarkeit der Corona-Prämie
Urteilsanalyse
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Die steuerfrei ausgezahlte Corona-Prämie als Anerkennung der Leistung während der Pandemie ist nach dem AG Cottbus jedenfalls bei beantragtem Pfändungsschutz dem Arbeitnehmer zu belassen.

5. Jul 2021

Anmerkung von

Rechtsanwalt Joachim Zobel, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Schultze & Braun GmbH Rechtsanwaltsgesellschaft

Aus beck-fachdienst Insolvenzrecht 13/2021 vom 24.06.2021

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Sachverhalt

Der Schuldner befindet sich in der Wohlverhaltensperiode. Mit dem Gehalt für den Monat Dezember 2020 zahlte der Arbeitgeber eine steuerfreie Corona-Prämie in Höhe von 200 EUR an den Schuldner. Mit Schreiben vom 24.2.2021 beantragte der Schuldner Pfändungsschutz der Corona-Prämie.

Entscheidung

Das Gericht gab dem Antrag statt.

Die Voraussetzungen für die Auszahlung der Prämie lägen vor. Diese seien, dass die Beihilfen oder Unterstützungen infolge der Corona-Krise zum einen zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn, zum anderen zur Abmilderung der zusätzlichen Belastung durch die Corona-Krise gezahlt würden.

Die Pfändbarkeit oder Unpfändbarkeit der Corona-Prämie außerhalb der Altenpflege sei gegenwärtig gesetzlich nicht eindeutig geregelt. Der Zweck der Prämie bestehe darin, zusätzliche Belastungen durch die Corona-Krise abzumildern. Vor diesem Hintergrund könne sie wegen dieser Zweckbestimmung unter § 850a Nr. 3 ZPO subsumiert werden. Danach seien Aufwandsentschädigungen, Auslösungsgelder und sonstige soziale Zulagen für auswärtige Beschäftigungen, das Entgelt für selbstgestelltes Arbeitsmaterial, Gefahrenzulagen sowie Schmutz- und Erschwerniszulagen, soweit diese Bezüge den Rahmen des Üblichen nicht übersteigen, unpfändbar.

Im Hinblick auf die Sicherheits- und Hygienevorkehrungen aufgrund der Corona-Pandemie sei die Erbringung der geschuldeten Arbeitsleistung mit besonderen Belastungen und besonderem Aufwand verbunden, die über eine Corona-Prämie abgegolten würden. Der Schuldner habe sich laut Erklärung des Arbeitgebers um die Beschaffung der Masken und die Desinfektionsmittel gekümmert. Er habe die Hygieneartikel bereitgestellt und nachbestückt. Der Betreib habe deswegen ohne Einschränkungen weitergeführt werden können.

Des Weiteren sei der Sinn und Zweck der Befreiung, dass die Prämie uneingeschränkt den Beschäftigten als Anerkennung zugutekomme. Daher dürfe sie auch nicht gepfändet werden. Andernfalls käme der Bonus den Gläubigern und nicht den Beschäftigten zugute. Der Zweck der Sonderzahlung wäre verfehlt.

Im Ergebnis führe die Abwägung der schutzwürdigen Interessen vom Schuldner und Gläubigern zur Feststellung der Unpfändbarkeit der Corona-Prämie.

Praxishinweis

Die Corona-Prämie ist nicht branchengebunden und kann durch jeden Arbeitgeber ohne Abgabeverpflichtung gezahlt werden; die Regelung in § 3 Nr. 11a EStG wurde bis zum 31.02.2022 verlängert. Die Corona-Prämie darf damit im Zeitraum vom 1.3.2020 bis 31.3.2022 bis zu 1.500 EUR betragen. Hinsichtlich der Zahlungsart darf der Arbeitgeber eine beliebige Verteilung des begünstigten Betrags (max. insgesamt 1.500 EUR) wählen. Folglich kann die Sonderzahlung auch in Teilbeträgen an den Arbeitnehmer geleistet werden.

Bezüglich der für Pflegeeinrichtungen gem. § 150a SGB XI verpflichtenden Corona-Prämie wurde für diese nach § 150a Abs. 8 Satz 4 SGB IX die Unpfändbarkeit gesetzlich normiert. Für sonstige Berufszweige wurde keine entsprechende Aussage getroffen. Damit gilt: einmalige Sozialleistungen sind grundsätzlich unter der Voraussetzung pfändbar, dass die Pfändung der Billigkeit entspricht, § 850 b ZPO.

Das AG Zeitz hat jedoch bereits mit Beschluss vom 10.8.2020 (Az: 5 M 837/19) entschieden, dass „nach Sinn und Zweck dieser Maßnahme folgerichtig festzustellen [ist], dass diese steuer- und sozialversicherungsfrei gestellten Sonderzahlungen ausschließlich und uneingeschränkt den Beschäftigten als Anerkennung zugutekommen sollen und daher unpfändbar sein müssen“. Der Beschluss des AG Cottbus bestätigt diese Sichtweise.

Das ArbG Bautzen hat mit Urteil vom 17.3.2021 (Az: 3 Ca 3145/20) die Unpfändbarkeit verneint, da § 150a SGB XI weder direkt noch indirekt auf andere Branchen anwendbar sei und die Sonderzahlung auch nicht unter den Pfändungsschutz für sonstige Einkünfte nach der ZPO falle.

Es bleibt abzuwarten, ob und in welche Richtung sich die Rechtsprechung entwickelt: „ZPO vs. Sinn und Zweck der Corona-Prämie“. Der Treuhänder sollte in der aktuell uneinheitlichen Lage die Corona-Prämie als Erhöhung der monatlichen Vergütung betrachten und hieraus das pfändbare und damit abtretbare Einkommen ermitteln. 

AG Cottbus, Beschluss vom 23.03.2021 - 63 IN 127/18, BeckRS 2021, 8116