Urteilsanalyse
Umfang des Einsichtsrechts des Mieters in die Belege einer Betriebskostenabrechnung
Urteilsanalyse
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Das Recht des Mieters auf Einsicht in die Belege einer Betriebskostenabrechnung erstreckt sich nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 09.12.2020 auch auf die zugrundeliegenden Zahlungsbelege.

15. Jan 2021

Anmerkung von
Rechtsanwalt Prof. Dr. Wolf-Rüdiger Bub und Rechtsanwalt Nikolay Pramataroff
Rechtsanwälte Bub, Memminger & Partner, München, Frankfurt a.M.

Aus beck-fachdienst Miet- und Wohnungseigentumsrecht 01/2021 vom 14.01.2021

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Sachverhalt

Der Beklagte ist Mieter einer Wohnung der Klägerin in Berlin. Die Klägerin begehrt eine Nachzahlung aus der Betriebskostenabrechnung vom 22.10.2014 für das Jahr 2013. Sie gewährte dem Beklagten Einsicht in die der Abrechnung zugrundeliegenden Rechnungsbelege; eine darüber hinaus vom Beklagten verlangte Einsichtnahme in die entsprechenden Zahlungsbelege lehnte sie ab.

Das Amtsgericht hat der auf Zahlung von 1.262,35 EUR nebst Zinsen gerichteten Klage unter deren Abweisung im Übrigen in Höhe von 1.195,19 EUR stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Landgericht die Klage insgesamt abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidung

Die Revision hat keinen Erfolg.

Dem Mieter stehe gegenüber dem auf eine Betriebskostenabrechnung gestützten Zahlungsverlangen des Vermieters ein aus § 242 BGB folgendes (temporäres) Leistungsverweigerungsrecht zu, solange ihm eine nach § 259 Abs. 1 BGB berechtigterweise begehrte Belegeinsicht nicht gewährt worden sei.

Zu den Abrechnungsunterlagen, auf die sich das Einsichtsrecht des Mieters beziehe, gehören neben den Rechnungen auch die dazugehörigen Zahlungsbelege über die in der Abrechnung auf die Mieter umgelegten Betriebskosten. Denn mit Hilfe dieser Belege werde der Mieter in die Lage versetzt, die Berechtigung der jeweils in Rechnung gestellten Beträge zu überprüfen. Der Darlegung eines besonderen Interesses bedürfe es dabei nicht, es genüge vielmehr das allgemeine Interesse des Mieters, die Tätigkeit des abrechnungspflichtigen Vermieters zu kontrollieren.

Das gelte auch für die Einsichtnahme in die Zahlungsbelege, und zwar unabhängig davon, ob der Vermieter nach dem Abflussprinzip oder nach dem Leistungsprinzip abrechne oder bei den unterschiedlichen Betriebskostenarten teils die eine, teils die andere Abrechnungsmethode anwende.

Praxishinweis

Sinn und Zweck der Belegvorlagepflicht gemäß § 259 Abs. 1 BGB ist, die Ausführung der abzurechnenden Geschäfte umfassend nachprüfbar zu gestalten und es dem Einsichtsberechtigten etwa zu ermöglichen, sich durch Nachfrage bei den in den Belegen genannten Dritten über die Richtigkeit der daraus hervorgehenden Umstände zu vergewissern oder weitere Aufklärung einzuholen (BGH, Urteil vom 07.02.2018 – VIII ZR 189/17, NJW 2018, 1599, besprochen in FD-MietR 2018, 402630). Hierfür genügt bereits das allgemeine Interesse des Berechtigten, die Tätigkeit des Abrechnungspflichtigen zu kontrollieren (BGH, Urteil vom 09.11.2017 – III ZR 610/16, BeckRS 2017, 132370 Rn. 21).

Diese Belege muss der Vermieter dem Mieter auch im Original vorlegen. Eigenbelege des Vermieters genügen nicht, soweit es um Zahlungen an Dritte geht (LG Kiel, Beschluss vom 15.03.1996 - 4 T 37/96, WuM 1996, 631). Soweit aber der Vermieter mit einem papierlosen Büro arbeitet, stehen grundsätzlich Ausdrucke der gescannten Belege dem Original gleich (Langenberg in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 14. Auflage 2019, § 556 BGB Rn. 481).

Rechtsfolge der nicht erteilten Einsicht ist ein temporäres Leistungsverweigerungsrecht gemäß § 242 BGB, solange der Vermieter dem Mieter nicht die vorab geschuldete Belegeinsicht gewährt hat (BGH, Urteil vom 07.02.2018 – VIII ZR 189/17, NJW 2018, 1599 Rn. 29).

Ob der Mieter eine Einsicht in Zahlungsbelege verlangen kann, war bis zum besprochenen Urteil streitig. Die u.a. von Blank (NZM 2004, 365, 369 und Blank/Börstinghaus, 6. Aufl. 2020, § 556 Rn 186) vertretene Gegenauffassung war zumindest gut vertretbar, da die Zahlung des Vermieters ohne Bedeutung für die Abrechenbarkeit ist. Die Praxis wird sich an der Entscheidung des BGH orientieren, wonach die Nichtzahlung Anlass zu Rückfragen oder Einwendungen gegen einzelne Abrechnungsposten sein könnte, etwa, wenn der Vermieter Kürzungen vorgenommen hat.

BGH, Urteil vom 09.12.2020 - VIII ZR 118/19 (LG Berlin), BeckRS 2020, 36323