Urteilsanalyse
Umfang der Kommanditistenhaftung in der Insolvenz der KG
Urteilsanalyse
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Bei der Prüfung, ob eine Inanspruchnahme des Kommanditisten zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger erforderlich ist, sind nach einem Urteil des BGH vom 9.2.2021 nicht nur die zur Tabelle festgestellten, sondern auch vom Insolvenzverwalter bestrittene Forderungsanmeldungen zu berücksichtigen, sofern eine erfolgreiche Inanspruchnahme der Masse wegen dieser Forderungen noch ernsthaft in Betracht kommt.

25. Mrz 2021

Anmerkung von

Rechtsanwalt Stefano Buck, Fachanwalt für Insolvenzrecht, Schultze & Braun Rechtsanwaltsgesellschaft für Insolvenzverwaltung mbH

Aus beck-fachdienst Insolvenzrecht 06/2021 vom 18.03.2021

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Sachverhalt

Der Kläger ist Insolvenzverwalter einer Schiffsfondsgesellschaft in der Rechtsform einer Kommanditgesellschaft (im Folgenden: Schuldnerin), über deren Vermögen mit Beschluss vom 7.11.2012 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Der Beklagte, der mit einer Einlage iHv 55.000 EUR als Kommanditist an der Schuldnerin beteiligt ist, erhielt in den Jahren 2003 bis 2007 nicht durch Gewinne gedeckte Ausschüttungen iHv insgesamt 24.750 EUR, deren Rückzahlung der Kläger unter dem Gesichtspunkt der teilweisen Rückgewähr der geleisteten Kommanditeinlage verlangt.

Das LG hat den Beklagten antragsgemäß zur Zahlung verurteilt. Auf die Berufung des Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrte der Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils im Ergebnis mit Erfolg.

Entscheidung

Bei der Prüfung, ob eine Inanspruchnahme des Kommanditisten zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger erforderlich ist, sind nicht nur die zur Tabelle festgestellten, sondern auch vom Insolvenzverwalter bestrittene Forderungsanmeldungen zu berücksichtigen, sofern die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass der Widerspruch gegen die Forderungsanmeldung noch durch eine Feststellungsklage beseitigt wird. Der BGH führte aus, dass das Berufungsgericht zutreffend davon ausgegangen sei, dass dem Kommanditisten gegenüber seiner Inanspruchnahme durch den Insolvenzverwalter nach §§ 171 Abs. 1, 2, 172 Abs. 4 HGB der Einwand zustehe, dass das von ihm Geforderte zur Tilgung der Gesellschafterschulden, für die er hafte, nicht erforderlich sei. Die Darlegungs- und Beweislast hierfür habe der in Anspruch genommene Gesellschafter; jedoch obliege dem Insolvenzverwalter eine sekundäre Darlegungslast hinsichtlich der für die Befriedigung der Gläubiger bedeutsamen Verhältnisse, sofern nur er zu deren Darlegung imstande sei (vgl. BGH, ZIP 2020, 1869).

Das Berufungsgericht habe im Weiteren ebenfalls zutreffend angenommen, dass die Erforderlichkeit der Inanspruchnahme des Kommanditisten nicht allein davon abhänge, ob die von seiner Haftung umfassten Gesellschafterschulden aus der aktuell zur Verfügung stehenden Insolvenzmasse gedeckt werden können. Wie der Senat inzwischen entschieden habe (vgl. BGH, a.a.O.) könne der Kommanditist gegen seine Inanspruchnahme vielmehr entsprechend §§ 422 Abs. 1 Satz 1, 362 Abs. 1 BGB auch einwenden, dass der zur Deckung dieser Gesellschaftsschulden nötige Betrag durch Zahlung anderer Kommanditisten bereits ganz oder teilweise aufgebracht worden sei. Die Erforderlichkeit seiner Inanspruchnahme hänge zum einen davon ab, in welchem Umfang die von seiner Haftung umfassten Forderung bereits durch Zahlung anderer Gesellschafter auf ihre Haftungsschuld gedeckt seien und zum anderen davon, ob die zur Verfügung stehende Insolvenzmasse voraussichtlich genüge, einen danach verbleibenden Restbetrag zu decken (vgl. BGH, a.a.O.). Dabei handele es sich bei der Höhe der bis zur letzten mündlichen Verhandlung eingegangenen Rückzahlungen der Kommanditisten um einen Umstand, dessen Darlegung typischerweise nur dem Insolvenzverwalter möglich sei und zu dem er daher im Rahmen der ihm obliegenden sekundären Darlegungslast vorzutragen habe (vgl. BGH, a.a.O.).

Der beklagte Kommanditist habe schlüssig vorzutragen, dass die von seiner Außenhaftung erfassten Gesellschaftsschulden bereits durch Zahlungen anderer Gesellschafter auf ihre Haftungsschuld ganz oder teilweise gedeckt seien bzw. die zur Verfügung stehende Insolvenzmasse voraussichtlich zur Deckung eines danach verbleibenden Restbetrages zumindest in Höhe eines Teils der Klageforderung ausreiche.

Bei der Prüfung, ob eine Inanspruchnahme des Kommanditisten nach §§ 171 Abs. 1, 2, 172 Abs. 4 HGB zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger erforderlich sei, seien nicht nur die zur Tabelle festgestellten, sondern auch vom Insolvenzverwalter bestrittene Forderungsanmeldungen zu berücksichtigen, sofern eine erfolgreiche Inanspruchnahme der Masse wegen dieser Forderungen noch ernsthaft in Betracht komme.

Die Deckung von bestrittenen Forderungen könne erforderlich sein, weil der gegen sie erhobene Widerspruch durch eine Feststellungsklage (§ 179 InsO) beseitigt werden könne (vgl. BGH ZIP 2020, 563). Bestehe die ernsthafte Möglichkeit, dass der Widerspruch gegen die Forderungsanmeldung noch durch eine Feststellungsklage beseitigt werde, sei der Insolvenzverwalter berechtigt, den Kommanditisten vorsorglich auch zur Bildung angemessener Rückstellungen für von ihm bestrittene Forderungen in Anspruch zu nehmen, sofern eine Haftung des Kommanditisten nicht bereits aus Rechtsgründen ausscheide (vgl. OLG Hamburg, ZIP 2019, 185; a.A. OLG Celle, NZG 2019, 304).

Praxishinweis

Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass eine erfolgreiche Inanspruchnahme der Masse wegen der bestrittenen Forderung noch ernsthaft in Betracht kommt, obliegt dem Insolvenzverwalter. Dieser hat grundsätzlich darzulegen und zu beweisen, dass Forderungen von Gesellschaftsgläubigern, für die der Kommanditist haftet, mindestens in Höhe der Klageforderung bestehen (vgl. BGHZ 217, 327). Stützt er sich hierbei auf eine von ihm bestrittene Forderung, hat er substantiiert darzulegen, aus welchen Gründen trotz seines Widerspruchs noch mit einer Feststellung der Forderung zur Tabelle gerechnet werden muss und daher vorsorglich auch insoweit eine Inanspruchnahme des Kommanditisten zur Bildung von Rückstellungen erforderlich erscheint. Das kann etwa dann auszuschließen sein, wenn nach der Lebenserfahrung keine Inanspruchnahme der Masse mehr droht, weil der Bestand der angemeldeten Forderungen rechtlich zweifelhaft ist, seit dem Prüfungstermin und dem Widerspruch des Insolvenzverwalters ein erheblicher Zeitraum verstrichen ist und keiner der betreffenden Gläubiger eine Feststellungsklage erhoben hat (vgl. OLG Hamburg, a.a.O.) oder wenn es sich bei den bestrittenen Insolvenzforderungen um eine Vielzahl auf vergleichbarem Sachverhalt beruhenden Forderungen mehrerer Insolvenzgläubiger handelt, der Insolvenzverwalter sämtlichen dieser angemeldeten Forderungen widersprochen hat. Hierauf wies der BGH in seiner Entscheidung ausdrücklich hin.

BGH, Urteil vom 09.02.2021 - II ZR 28/20 (OLG Koblenz), BeckRS 2021, 2492