NJW-Editorial
Ultimative Ausdehnung
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© picture alliance/Eventpress Stauffenberg

Die 5. EU-Geldwäsche-Richtlinie vom 23.10.2018 muss bis zum 3.12.2020 umgesetzt sein. Das Bundesjustizministerium hat den Referentenentwurf eines „Gesetzes zur Verbesserung der strafrechtlichen Bekämpfung der Geldwäsche“ vorgelegt. Wir finden vertraute Formulierungen.

5. Sep 2020

„Ein Großteil der jährlich begangenen Straftaten zielt auf Profit ab, so dass (…) ein wirksames Geldwäschestrafrecht, das (…) inkriminierte Gegenstände praktisch verkehrsunfähig machen kann, wirksame Beiträge (…) zu Bekämpfung leistet (S. 11) (…). Den Vorgaben der Richtlinie entspricht § 261 StGB bereits zu einem großen Teil. Allerdings soll die Bekämpfung (…) weiter verbessert (…) werden“ (S. 1).

Das System der „Bekämpfungs“-Strafverfolgung kreist weiter in sich. Die Entwurfsbegründung wiederholt, was seit 30 Jahren geweissagt wird, ohne dass irgendeine der Verheißungen des dem „War on Drugs“ entstammenden Konzepts eingetreten ist. Dass 200 Jahre Strafbarkeit der Hehlerei nicht zum Verschwinden des Diebstahls geführt haben, stört den Glauben des Gesetzgebers nicht, durch uferlose Strafbarkeit der Ersatzhehlerei werde „ein Großteil der begangenen Straftaten“ verschwinden. § 261 StGB verzeichnet 24 ausweitende Änderungen seit 2001. Nach dem Entwurf soll der VortatenKatalog des § 261 I 2 StGB gestrichen und die Geldwäsche endgültig auf alle Straftaten ausgeweitet werden. Der Anwendungsbereich wird „erheblich ausgeweitet“; die Geldwäschestrafbarkeit soll „deutlich häufiger als bisher greifen“. Einfacher Diebstahl, einfache Steuerhinterziehung und Bagatellbetrug werden geldwäschetaugliche Vortaten; infolge der „Kontaminierungs“-Automatik – bei Vermischung reicht ein inkriminierter Anteil ab fünf Prozent zur Verkehrsunfähigkeit des gesamten Werts – wird sich das gesamte Volksvermögen zügig in geldwäschetaugliches Ersatzhehlgut verwandeln. Zum „Ausgleich“ soll die Strafbarkeit von Leichtfertigkeit gestrichen werden. Zwecks Vermeidung des bedingten Vorsatzes sollte der Bürger fest daran glauben, dass ein jährlicher Zuwachs an geldwäschetauglichen Gegenständen um eine halbe oder ganze Billion Euro mit seinem eigenen Geldbeutel nichts zu tun habe. Ein schönes Detail des Entwurfs ist die geplante „Umsetzung der Rechtsprechung des BVerfG“: Strafverteidiger handeln bei Annahme von Honorar nach § 261 I 3 StGB nur dann vorsätzlich, wenn sie (…) sichere Kenntnis haben“. Diese Legaldefinition subjektiver Vorstellungen einer einzelnen Berufsgruppe ist gesetzliches Neuland mit Entwicklungspotenzial.

Die geplante Neufassung des § 261 StGB treibt das selbsttragende Konzept auf die Spitze: Die eklatante Erfolglosigkeit bei maximalen Kosten und extremer Überwachungsbürokratie führt nicht zur Umkehr, sondern zu ultimativer Ausdehnung. Die Geldwäscheverfolgung ist mehr denn je das trojanische Pferd, mit dessen Hilfe die schöne neue Welt des Präventionsstrafrechts sich ins Herz des Rechtsstaats schleicht. •

Prof. Dr. Thomas Fischer war Vorsitzender des 2. Strafsenats des BGH.