Urteilsanalyse
Übermittlung einer Vollmacht per beA
Urteilsanalyse
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Eine Verfahrensvollmacht ist im Original vorzulegen und kann nach Ansicht des Amtsgerichts Calw daher zum Nachweis ausreichender Bevollmächtigung nicht per beA übermittelt werden. 

18. Aug 2022

Anmerkung von
Rechtsanwalt beim BGH Dr. Guido Toussaint, Toussaint & Schmitt, Karlsruhe

Aus beck-fachdienst Zivilverfahrensrecht 16/2022 vom 12.08.2022

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Sachverhalt

Eine Rechtsanwältin erteilte für ihren Mandanten als Gläubiger Vollstreckungsauftrag zur Pfändung und Abnahme der Vermögensauskunft. Der zuständige Gerichtsvollzieher teilte hierzu mit, dass für die Durchführung der Vollstreckung die ordnungsgemäße Bevollmächtigung zu versichern und ggf. nachzuweisen sei; alternativ sei die Übersendung einer Vollmacht weiterhin möglich, wenn deren Erfordernisse gewahrt seien. Die Rechtsanwältin reichte hierauf eine Vollmacht des Gläubigers über das EGVP ein. Der Gerichtsvollzieher lehnte die beantragte Vollstreckung ab, da die Vollmachtsurkunde nicht als Original vorliege und die ordnungsgemäße Bevollmächtigung nicht versichert worden sei.

Entscheidung: elektronische Übermittlung eines Scans der Vollmacht reicht nicht zum Vollmachtsnachweis aus

Die hiergegen gerichtete Erinnerung des Gläubigers hat das AG zurückgewiesen. Sie sei zwar nach § 766 Abs. 2 ZPO statthaft, habe aber in der Sache keinen Erfolg, weil der Gerichtsvollzieher zu Recht die Zwangsvollstreckung abgelehnt habe. Bei der Durchführung der Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen in das bewegliche Vermögen hätten Rechtsanwälte nach §§ 753a S. 1, 79 Abs. 2 S. 1 ZPO ihre ordnungsgemäße Bevollmächtigung zu versichern; des Nachweises einer Vollmacht bedürfe es in diesen Fällen nicht. Gebe der Rechtsanwalt – wie hier – diese Versicherung nicht ab, müsse hingegen die Vollmacht (regelmäßig durch Vorlage der Original-Vollmachtsurkunde) nachgewiesen werden. Übermittele der Rechtsanwalt – wie hier – Erklärungen seines Mandanten im elektronischen Rechtsverkehr, sei normativ nicht ausdrücklich geklärt, in welcher Form dies zu geschehen habe. Auch unter der aktiven Nutzungspflicht des beA (§§ 753 Abs. 5, 130d ZPO) stelle eine vom Anwalt beglaubigte elektronische Kopie einer Papiervollmacht keine „Originalvollmacht“ des Mandanten dar. Die Vollmacht sei daher weiterhin im Original nachzuweisen. Soweit § 753a S. 1 ZPO vom Nachweis einer Vollmacht befreie, müssten dessen Voraussetzungen erfüllt sein. Die hierdurch angestrebte Verfahrensvereinfachung trete aber gerade nicht ein, wenn die Gläubigervertreterin den von § 753a S. 1 ZPO nicht erfassten Weg einschlage, indem sie die Bevollmächtigung nicht versichere, sondern eine eingescannte Vollmachtsurkunde vorlege. Dann habe der Gerichtsvollzieher nämlich zu prüfen, ob die Erklärung von der Partei stamme, und ggf. eine Glaubhaftmachung durch Nachreichung des Originals der Erklärung zu fordern. Dies bedeute einen Aufwand, der in keinem Verhältnis zu demjenigen stehe, den die Gläubigervertreterin gehabt hätte, wenn sie die Bevollmächtigung versichert hätte.

Praxishinweis

Richtig an der besprochenen Entscheidung ist, dass ein Vollmachtsnachweis nicht auf elektronischem Wege zu führen ist. Die Vollmacht muss „schriftlich“ zu den Akten gereicht werden, § 80 S. 1 ZPO, so dass eine vom Vollmachtgeber eigenhändig unterzeichnete Urkunde, § 126 Abs. 1 BGB, vorgelegt werden muss. Diese Schriftform mag nach § 126 Abs. 4 BGB durch die elektronische Form ersetzt werden können, doch bedürfte es hierfür nach § 126a Abs. 1 BGB einer qualifizierten elektronischen Signatur des Ausstellers, mithin des Vollmachtgebers. Ein Scan der Vollmacht ist demgegenüber eine bloße Kopie, woran auch die Signierung durch den Rechtsanwalt (statt des Ausstellers) nichts ändern könnte; letzteres wäre bestenfalls eine beglaubigte Abschrift, die aber nach § 80 S. 1 ZPO zum Vollmachtsnachweis nicht genügt. Dass nach § 130a Abs. 3 S. 2 ZPO einem elektronischen Dokument beigefügte Anlagen nicht signiert werden brauchen, hilft nicht weiter, weil diese Vorschrift nur die formwirksame Einreichung von Schriftsätzen betrifft, aber nicht prozessuale Nachweiserfordernisse abmildert.

Übersehen hat das AG allerdings den auch im Zwangsvollstreckungsverfahren geltenden § 88 Abs. 2 ZPO (hierzu BGH NJOZ 2022, 338 Rn. 12 f. mAnm Toussaint FD-ZVR 2021, 443378; diese Entscheidung selbst dürfte allerdings durch den zwischenzeitlich eingefügten § 753a ZPO überholt sein), nach dem die Vollmacht eines Rechtsanwalts nur auf Rüge zu überprüfen ist. Der neue § 753a ZPO sieht zwar vor, dass im Zwangsvollstreckungsverfahren auch Rechtsanwälte ihre ordnungsgemäße Bevollmächtigung zu versichern haben, doch dürfte dies an der allg. Vorschrift des § 88 Abs. 2 ZPO nichts geändert haben (BeckOK/Ulrici § 753a ZPO Rn. 5, 7 mNachw zur Gegenansicht).

In jedem Falle aber hätte, worauf das AG zutreffend hingewiesen hat, eine Versicherung ordnungsgemäßer Bevollmächtigung nach § 753a ZPO vollauf genügt. Vorsorglich sollten Rechtsanwälte daher bei Vollstreckungsaufträgen eine solche Versicherung niemals vergessen.


AG Calw, Beschluss vom 05.07.2022 - 9 M 471/22, BeckRS 2022, 17091