NJW-Editorial
Triloge bei Nacht
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NJW/Harald Schnauder

Der Jahreswechsel vollzieht sich traditionell in einer langen Silvesternacht. In Berlin und Brüssel hatte man diesmal zum 31.12. schon eine gewisse Routine in langen Nächten: In beiden Städten waren im Dezember Dreiertreffen bei Dunkelheit gleichsam an der Tagesordnung.

4. Jan 2024

In der Bundeshauptstadt zwangen die Nachwirkungen des Karlsruher Haushalts-Urteils (BVerfG NJW 2023, 3775; dazu G. Kirchhof NJW 2023, 3757) die drei Regierungs­parteien zu nächtlichen Marathonsitzungen. „Im Morgengrauen“, nach „insgesamt über 200 Stunden Verhandelns“, wie die Süddeutsche Zeitung schrieb, konnten „die drei Ampel-Chefs“ verkünden: „habemus Haushalt“.

Trotz der Einigung über den Etat 2024 sind in diesem Jahr weitere mühselige Beratungen in der Koalition zu erwarten. Weil in solchen Situationen alles zur Verhandlungsmasse wird, könnten auch weitere Gesetzesvorhaben, bei denen die Regierungsparteien uneins sind (etwa die im Koalitionsvertrag verabredeten Reformen im Mietrecht, auf die SPD und Grüne drängen, für die die FDP aber keine ausgeprägte Leidenschaft hat), in den Sog der Kompromissfindung geraten. Für Zugeständnisse beim Haushalt wird möglicherweise später ein Entgegenkommen in anderen Bereichen erwartet.

In Brüssel, wo Dreiertreffen in Gestalt der Triloge von Kommission, Rat und Parlament ein fester Bestandteil des Gesetzgebungsverfahrens sind, hat man sich im Dezember auch einige Nächte um die Ohren geschlagen, um noch wichtige Vorhaben wie die EU-Lieferkettenrichtlinie und die KI -Verordnung unter Dach und Fach zu bringen – der Wechsel der Ratspräsidentschaft zu Jahresbeginn und die Wahlen zum EU-Parlament in diesem Juni beflügelten offensichtlich den Ehrgeiz, politische Einigungen zu erzielen. Ob die in den Nachtsessions verhandelten Regelungen auch inhaltlich gelungen sind, ist freilich eine ganz andere Frage – die sich erst beantworten lässt, wenn die finalen Rechtstexte vorliegen.

Bei der KI -Verordnung kamen jedenfalls Zweifel auf, ob „der längste Trilog aller Zeiten“ (FAZ) das richtige Format für eine so wichtige regulatorische Weichenstellung ist. Der österreichische Rechtsprofessor Nikolaus Forgó wies auf X (vormals Twitter) darauf hin, dass ein Wachzustand von mindestens 24 Stunden einer Blutalkoholkonzen­­tration von 0,10 % entspreche. „Der AI Act, von der EU als Meilenstein bezeichnet, wurde also von einer Gruppe Betrunkener verhandelt“, so Forgó.

In diesem Sinne wünsche ich den Leserinnen und Lesern der NJW im Namen des gesamten Redaktionsteams immer einen ­klaren Kopf sowie ein gutes, gesundes und erfolgreiches Jahr.

Rechtsanwalt Tobias Freudenberg ist Schriftleiter der NJW.