NJW-Editorial
Trilog statt Transparenz
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© JLU/Wegst

Kaum ein wichtiges europäisches Gesetzgebungsprojekt kommt mehr ohne Trilog zustande, auch beim Digital Markets Act und beim Digital Services Act war das zuletzt der Fall. In den Unionsverträgen ist das Verfahren hinter verschlossenen Türen indes gar nicht vorgesehen. Das Dilemma: Einerseits tragen die Triloge wesentlich zur Arbeitsfähigkeit des Unionsgesetzgebers bei. Zugleich schwächen sie mit ihrer Intransparenz die Union als regulatorischen Akteur.

2. Jun 2022

Die Europäische Union arbeitet mit dem Digital Markets Act und dem Digital Services Act derzeit an einem Gesetzespaket, das zentrale Aspekte des digitalen Binnenmarkts neu regeln soll: Das von der Kommission ausgerufene Ziel ist, die Sicherheit und die Entscheidungsfreiheit der Konsumenten auf den digitalen Märkten zu stärken und die Marktmacht von Internetgiganten wie Google, Amazon, Facebook, Microsoft & Co. zu begrenzen. Wo aber werden die neuen Regelungen eigentlich im Einzelnen ausgehandelt? In Trilogen, so berichtet die Presse. In Trilogen?

Sie sind das „Schmiermittel“ der EU-Gesetzgebungsmaschinerie: Hier verhandeln Vertreter von Kommission, Europäischem Parlament und Rat am „Runden Tisch“ hinter ­verschlossenen Türen die politische Einigung, die für EU-Gesetzgebung notwendig ist. Sie tun dies, ohne dass die Unionsverträge diese Verhandlungsform vorsehen. Ohne Triloge kommt indes seit mindestens einem Jahrzehnt quasi kein wichtiges europäisches Gesetzgebungsprojekt mehr zustande. Zu schwerfällig ist das vertraglich vorgesehene Gesetzgebungsverfahren, in dem Parlament und Rat in abwechselnden Lesungen getrennt beraten. Die Triloge beginnen früh – regelmäßig bevor im EP im Einzelnen eine inhaltliche Positionierung stattgefunden hat.

Die Triloge sind längst kein Geheimnis mehr. Die Geschäftsordnung des EU-Parlaments sieht vor, dass dessen Verhandlungsführer dem zuständigen Parlamentsausschuss über den Stand der interinstitutionellen Verhandlungen berichtet. Zudem besteht nach ­einem Urteil des EuG aus dem Jahr 2018 (NVwZ 2019, 150) grundsätzlich ein Anspruch der Bürgerinnen und Bürger auf Zugang zu dem zentralen Verhandlungsdokument der ­Triloge. Auch wenn weiterhin vielfach von den informellen Trilogen die Rede ist, sind diese also heute durchaus verrechtlicht und formalisiert. Das ist nicht zuletzt eine Reaktion auf die politische und wissenschaftliche Kritik, die die Trilogisierung der Unionsgesetzgebung begleitet.

Aber sind die Triloge damit nun hinreichend demokratisch eingebettet und „gezähmt“? Zweifel sind angebracht. So wurden die Termine, Tagesordnungen und Verhandlungsdokumente für die Triloge zum Digital Markets Act und zum Digital Services Act nicht publik gemacht. Damit können die Bürgerinnen und Bürger diese entscheidende politische Phase nicht verfolgen. Die fehlende Öffentlichkeit behindert deren politische Teilhabe und die Mitwirkung der europäischen Parlamente. Für die digitalen Giganten ist sie hingegen nur von Vorteil. Zivilgesellschaftliche Organisationen kritisieren, dass das Lobbying der digitalen Industrie zulasten des Schutzes der Verbraucher geht. Dies illustriert eine grundlegende Problematik: Die Triloge tragen wesentlich zur Arbeitsfähigkeit des Unions­gesetzgebers bei. Aber indem sie die öffentliche Kontrolle der Politik beeinträchtigen, schwächen sie die Union zugleich als regulatorischen Akteur.

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Jun.-Prof. Dr. Jelena von Achenbach, LL.M. (NYU), ist Juniorprofessorin für Öffentliches Recht an der ​Justus-Liebig-Universität Gießen.