Urteilsanalyse
Trainer ist abhängig beschäftigt
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Wer als Trainer mit Trainerlizenz Mitglieder eines Vereins trainiert, ist - so das LSG Mecklenburg-Vorpommern - in den Betrieb eingegliedert, auch wenn er in der eigentlichen Tätigkeit als Trainer weisungsfrei tätig ist und zudem Vorstand des Vereins ist.

20. Apr 2022

Anmerkung von

Rechtsanwalt Martin Schafhausen, Plagemann Rechtsanwälte Partnerschaft mbB, Frankfurt am Main

Aus beck-fachdienst Sozialversicherungsrecht 08/2022 vom 14.04.2022

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Sachverhalt

Der Kläger ist ein eingetragener Verein, dessen Zweck die Förderung und Pflege des Turnsports ist. Es werden dabei insbesondere Angebote wie Geräteturnen, rhythmische Sportgymnastik sowie Kinder- und Jugendsport gemacht. Der 1962 geborene Beigeladene ist Berufsartist und verfügt über eine Trainerlizenz. Er war auch als Übungsleiter tätig und erhielt dafür ein Entgelt. Seine Tätigkeit als Trainer wurde mit öffentlichen Mitteln gefördert. Voraussetzung der Förderung war eine abhängige Beschäftigung. Der Beigeladene war im Zeitraum 2006 bis 2009 Vorsitzender dieses Vereins. Er führt Beiträge an die Künstlersozialkasse ab.

Aufgrund einer Betriebsprüfung gelangt die beklagte DRV zu dem Ergebnis, dass der Kläger im Zeitraum 01.01.2006 bis 31.12.2009 seine Tätigkeit als Trainer in Form einer Beschäftigung ausgeübt hat, so dass der klagende Verein Beiträge i.H.v. 25.438 EUR nachzuzahlen habe – auf Basis eines monatlichen Arbeitsentgelts von rund 1.200 EUR.

Widerspruch und Klage blieben erfolglos. Der Beigeladene habe weder über eine eigene Betriebsstätte verfügt, noch sei ein typisches unternehmerisches Risiko gegeben. Dass der klagende Verein faktisch im Wesentlichen seine Weisungsbefugnis nicht ausgeübt habe, sei der fachlichen Qualifikation des Beigeladenen geschuldet, so dass das Weisungsrecht des Vereins auf die funktionsgerecht dienende Teilhabe am Arbeitsplatz beschränkt sei. Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers. Ein wirksamer Arbeitsvertrag sei nicht geschlossen. Mit Aufnahme seiner ehrenamtlichen Tätigkeit beim Kläger habe der Beigeladene angeboten, sein Projekt „Aufbau einer Leistungs- und Showgruppe im Kunstturnen“ umzusetzen. Bedingung sei seine völlige Handlungsfreiheit in all seinen Entscheidungen und Maßnahmen zur Umsetzung des Projekts gewesen.

Entscheidung

Das LSG weist die Berufung als unbegründet zurück. Der Beigeladene war im streitigen Zeitraum abhängig beschäftigt im Verein und erhielt dafür ein Arbeitsentgelt, aus dem Sozialversicherungsbeiträge zu zahlen sind. Die Tätigkeit des Beigeladenen als Trainer bzw. als Vereinssportlehrer ist sozialversicherungsrechtlich als Tätigkeit eines Lehrers zu bewerten. Eine solche Lehrtätigkeit (vgl. dazu auch § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI) kann grundsätzlich sowohl im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses als auch im Rahmen eines freien Dienstverhältnisses als selbständige Tätigkeit ausgeübt werden. Aus § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI kann nicht prinzipiell die „Anerkennung“ selbständig tätiger Lehrer in dem Sinne entnommen werden, dass diese Berufsgruppe generell selbständig tätig wäre. Der Beigeladene war in die Organisation und den Betrieb des Vereins eingegliedert, was sich schon aus der Nutzung der vereinseigenen Kunstturnhalle und der Terminorganisation ergab. Die Zahlung einer Vergütung z.B. auch während der Schulferien erfolgte unabhängig davon, ob der Beigeladene tatsächlich Trainingseinheiten erbracht hat.

Für die rechtliche Beurteilung der Statusfrage ist ohne Bedeutung, dass der Kläger und der Beigeladene die subjektive Vorstellung gehabt haben mögen, dass Letzterer als Selbständiger tätig wird. Der Beigeladene trug kein wesentliches unternehmerisches Risiko. Seine Weisungsfreiheit folgt nicht daraus, dass er zugleich Vorsitzender des Vorstandes des Klägers war und er unter bestimmten Voraussetzungen ihm missliebige Entscheidungen des Vorstands hätte verhindern und damit auch den konkreten Inhalt seiner Tätigkeit als Übungsleiter und Trainer hätte beeinflussen können. Er konnte Mehrheitsentscheidungen des Vorstands rechtlich nicht verhindern, auch wenn er tatsächlich die Richtung stets bestimmt haben mag. Zum anderen ist der Vorstand nach geltendem Vereinsrecht gegenüber der Mitgliederversammlung weisungsgebunden.

Praxishinweis

1. Im Sport werden Trainer sehr häufig als Selbständige behandelt – schon wegen ihrer Autorität als Sportler. Das überzeugt die Rechtsprechung schon seit einigen Jahre nicht mehr (z.B. LSG Baden-Württemberg, FD-SozVR 2015, 366943). Auch der Umstand, dass für Übungsleiter besondere Freibeträge gelten, reicht nicht hin, um die Tätigkeit des Trainers im Übrigen als selbständige zu qualifizieren.

2. Der Verein hat sich hier zudem darauf berufen, dass der Trainer zugleich Vorsitzender des Vorstands war (und die Geschicke des Vereins im Wesentlichen bestimmte). Soweit Vereinsvorstände mit einem Betrag von maximal 720 EUR jährlich vergütet werden (nach §§ 30, 31a BGB) kann man zwar ein Ehrenamt bejahen. Wie weit bei Vergütungen darüber hinaus eine Selbständigkeit in Betracht kommt, ist in der Praxis durchaus streitig. Die DRV akzeptiert die Beitragsfreiheit in der Regel nur im Rahmen der Übungsleiterpauschale. Etwas anderes kann gelten, wenn die Trainer von den Personen, die trainiert werden, unmittelbar beauftragt und vergütet werden.

3. Zum Thema vgl. a. Björn Friedrich Christ, Die Sozialversicherungspflicht von Organmitgliedern juristischer Personen des Privatrechts, 2021. Zur Sozialversicherungspflicht bei Übungsleitern im Sportverein vgl. a. LSG Baden-Württemberg, a.a.O. und Busch, npoR 2020, 24; LSG Baden-Württemberg, FD-SozVR 2019, 417865.

LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 24.02.2022 - L 4 R 73/15, BeckRS 2022, 4507