Was mussten die Berufsverbände argumentativ nicht alles auffahren, um uns von dessen Vorzügen zu überzeugen. Selbst der Wald musste herhalten, weil der dank beA nicht mehr in den Fängen der Papierindustrie enden würde, wenn wir alle digitaler arbeiteten – was wir mittlerweile auch weitgehend tun, manchmal allerdings nicht nur papier-, sondern vor allem ratlos. Etwa wenn beA den Versand des fristgebundenen Schriftsatzes fünf Minuten vor Mitternacht verweigert, obwohl wir uns penibel an die Schritt-für-Schritt-Versandanleitung der BRAK gehalten haben. Sollte man uns dort womöglich einen klitzekleinen, aber umso wichtigeren Zwischenschritt vorenthalten haben? Und könnte ich damit meinen Wiedereinsetzungsantrag argumentativ aufwerten, damit nicht immer die bestens ausgebildete und stets zu unserer vollsten Zufriedenheit arbeitende, langjährige Bürokraft herhalten muss? Fragen über Fragen. Antworten auf einige davon gibt ein aktuelles Urteil des LG München (v. 19.5.2025 – 37 O 15409/23).
In dem Fall hatte sich die Klägerseite ein Versäumnisurteil gefangen, was sich ohne Weiteres aus der Welt hätte räumen lassen, wenn der Anwalt nicht die Einspruchsfrist um einen lächerlichen Tag versäumt hätte. Begründung: Ein Versäumnisurteil sei ihm nie zugestellt worden, nur das Terminsprotokoll sowie ein Kostenfestsetzungsantrag, was er auch gerne anwaltlich versichere. Die in der Akte befindliche Postzustellungsurkunde, die anderes belege, müsse sich ebenso täuschen wie die Urkundsbeamtin in ihrer dienstlichen Stellungnahme. Doch das verfing beim LG nicht, weil es bereits in der Vergangenheit bei dem Kollegen zu „einer auffälligen, weil ungewöhnlich hohen Zahl an Konfliktfällen bei der Zustellung gerichtlicher Schriftstücke“ gekommen sei, wie uns die Entscheidungsgründe wissen lassen. Eine frühere Verhandlung in dem Verfahren sei nur deshalb gescheitert, weil die fragliche Terminsverfügung das beA des Klägervertreters angeblich nie erreicht habe. Und auch beim OLG München konnte oder wollte er in zwei Prozessen die beA-Nachrichtenjournale zum Beweis seiner Behauptung, nie was per beA bekommen zu haben, und schon gar kein gerichtliches Schriftstück, trotz Aufforderung nicht vorlegen. Das LG war deshalb von einem Fehler aufseiten des Klägervertreters überzeugt, der sicherlich nichts bewusst Falsches anwaltlich versichere, sondern nur einen fatalen Hang zu nachlässigem Arbeiten habe (die Entscheidung ist im Volltext abrufbar unter BeckRS 2025, 10691).
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