Law Clinics, also die unentgeltliche Rechtsberatung durch Studierende unter Anleitung von Volljuristinnen und -juristen, sind seit dem Jahr 2008 durch § 6 RDG erlaubt. An den meisten deutschen Universitäten sind sie zur praktischen Ausbildung von Jurastudentinnen und -studenten etabliert und verbreitet. Die Erlaubnis gilt für alle Rechtsgebiete, nur nicht für das Steuerrecht. Denn hier verbietet das Steuerberatungsgesetz (StBerG) – seit 1935 unverändert – die unentgeltliche Hilfeleistung in Steuersachen, soweit sie nicht für Angehörige erfolgt.
Niederlagen vor den Gerichten
Der VFS Hannover und seine Unterstützer sind gegen dieses Verbot vor die Gerichte gezogen. Sowohl die Finanz- als auch die Zivilgerichte haben sie bisher abblitzen lassen. Zuletzt wies der Bundesgerichtshof Ende März die Rechtsbeschwerde gegen das Verbot der unentgeltlichen Steuerrechtsberatung, die unter Anleitung von Berufsträgern erfolgt, zurück. Zwar teilte er die Zweifel an der Erforderlichkeit des Verbots zum Schutz der Ratsuchenden. Aber durch die angeblich ebenfalls bezweckte Sicherung des Steueraufkommens sah er das Verbot als verfassungsrechtlich gerechtfertigt an (DStRE 2023, 758 mit einer Besprechung von Ring DStR 2023, 1492). Hiergegen wurde Verfassungsbeschwerde eingelegt, denn gesetzlich geschützt sein kann nur das gleich- und gesetzmäßige Steueraufkommen. Dessen Sicherstellung wird nicht durch die Beteiligung einer Tax Law Clinic gefährdet, sondern vielmehr gefördert (Az.: 1 BvR 1042/23).
Einsicht der Bundesregierung
Diese Auffassung teilt im Ergebnis nunmehr auch die Bundesregierung. Demnach führen die Regelungen des StBerG „zu dem wertungsmäßig kaum nachvollziehbaren Ergebnis, dass altruistische Hilfeleistungen außerhalb des engsten Verwandtenkreises selbst dann nicht zulässig sind, wenn deren sachgerechte Erbringung aufgrund der Anleitung einer zur unbeschränkten Hilfeleistung in Steuersachen befugten Person sichergestellt wäre“. Daher hat sie einen Entwurf für ein „Gesetz zur Neuregelung beschränkter und unentgeltlicher geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen sowie zur Änderung weiterer Vorschriften im Bereich der steuerberatenden Berufe“ vorgelegt und darin eine Legalisierung von Tax Law Clinics vorgesehen. Danach soll ab dem 1.5.2024 eine unentgeltliche Hilfeleistung in Steuersachen auch außerhalb des engsten Familienkreises erlaubt werden, wenn diese durch oder unter Anleitung einer Person erfolgt, die zur unbeschränkten Hilfeleistung in Steuersachen befugt ist oder die die Befähigung zum Richteramt hat.
Annäherung an das RDG
Die Neuregelung entspricht weitestgehend der Bestimmung in § 6 RDG. Wie die Bundesregierung betont, sollen durch sie solche Einrichtungen nunmehr auch auf dem Gebiet des Steuerrechts an oder im Umfeld von Hochschulen zulässig werden, wenn zu Ausbildungszwecken unter Anleitung einer besonders qualifizierten Person altruistische Hilfeleistung in Steuersachen angeboten wird. Durch die Möglichkeit einer praktischen Tätigkeit unter der Obhut eines Mentors sollen die Hochschulausbildung ergänzt und ein Beitrag zu einer hochwertigen Bildung geleistet werden. Auswirkungen auf das Steueraufkommen erwartet die Regierung durch diese Legalisierung nicht.
Stiefmütterchen im Studium
Es ist zu hoffen, dass der Gesetzesvorschlag bei Bundestag und Bundesrat auf Zustimmung trifft und verabschiedet wird, so dass nicht auf eine verfassungsgerichtliche Entscheidung gewartet werden muss. Die Nachfrage nach steuerrechtlich vorgebildeten Juristen und Wirtschaftswissenschaftlern ist riesig. Die Tax Law Clinic stellt eine Möglichkeit dar, bei Studentinnen und Studenten beider Bereiche frühzeitig das Interesse für das unbekannte – und gerade im Jurastudium stiefmütterlich behandelte – Rechtsgebiet zu interessieren und sie langfristig dafür zu gewinnen.