Urteilsanalyse
Tätigkeit einer Architektin im Widerspruchsverfahren ist keine erlaubte Rechtsdienstleistung
Urteilsanalyse
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Die Vertretung der Grundstückseigentümer in einem Widerspruchsverfahren gegen die abschlägige Bescheidung einer Bauvoranfrage und die Geltendmachung von mit dem Widerspruchsverfahren zusammenhängenden Kostenerstattungsansprüchen durch eine Architektin stellen nach einem Urteil des BGH vom 11.2.2021 keine nach §§ 3, 5 Abs. 1 RDG erlaubten Rechtsdienstleistungen dar, die als Nebenleistungen zum Berufs- oder Tätigkeitsbild der Architektin gehören.

30. Mrz 2021

Anmerkung von
Rechtsanwalt Dr. Hans-Jochem Mayer, Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Fachanwalt für Arbeitsrecht, Bühl

Aus beck-fachdienst Vergütungs- und Berufsrecht 06/2021 vom 25.03.2021

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Sachverhalt

Die Beklagte, eine Architektin, stellte im Auftrag der Grundstückseigentümer eine Bauvoranfrage, die von der Stadt negativ beschieden wurde. Dagegen legte sie «namens der Grundstückseigentümer» Widerspruch ein. Der Widerspruch wurde zurückgewiesen. Anschließend machte die Beklagte gegenüber der Stadt Kostenerstattungsansprüche für das Widerspruchsverfahren geltend. Die Klägerin, die Rechtsanwaltskammer Koblenz, strengte gegen die Beklagte nach erfolgloser Abmahnung wegen eines Verstoßes gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz eine Unterlassungsklage an. Das LG verurteilte die Beklagte antragsgemäß, deren Berufung blieb ohne Erfolg. Die Beklagte ging anschließend in Revision.

Entscheidung: Tätigkeitsbild des Architekten bei Fragen des öffentlichen Rechts auf Empfehlungen beschränkt

Die Revision hatte Erfolg.

Sie führte mangels hinreichender Bestimmtheit des Unterlassungsantrags zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht. Der BGH weist aber darauf hin, dass die Klägerin die Beklagte wegen Erfüllung des Rechtsbruchstatbestands (§ 3a UWG) auf Unterlassung in Anspruch nehmen könne. Bei der Vertretung der Grundstückseigentümer im Widerspruchsverfahren und der Geltendmachung entsprechender Kostenerstattungsansprüche handle es sich um Rechtsdienstleistungen im Sinn des § 2 RDG, die gemäß § 3 RDG der Erlaubnis bedürften. Diese Tätigkeiten der Beklagten stellten auch keine erlaubten Nebenleistungen im Sinn von §§ 3 Alt. 1, 5 Abs. 1 RDG dar.

Zwar habe das Aufgabengebiet des Architekten in vielfacher Hinsicht Berührungen zu Rechtsdienstleistungen. Architekten seien sachkundige Berater und Betreuer des Bauherrn auf dem Gebiet des Bauwesens und müssten über nicht unerhebliche Kenntnisse des Werkvertragsrechts des BGB und der Vorschriften der VOB/B verfügen. Die Beratungs- und Betreuungstätigkeit des Architekten diene dazu, dem Bauherrn das planerische, wirtschaftliche und rechtliche Umfeld des Vorhabens zu erläutern. Im Rahmen der Grundlagenermittlung etwa habe ein Architekt deshalb Aufklärung und Beratungspflichten gegenüber seinem Auftraggeber, die sich auch auf öffentlich-rechtliche Vorschriften zum Bauplanungs- und Bauordnungsrecht bezögen. So könne eine Beratung darüber geschuldet sein, ob sich ein Gebäude in Ermangelung eines Bebauungsplans gemäß § 34 BauGB in die nähere Umgebung einfüge und eine Bauvoranfrage zu empfehlen sei. Die Betreuungs- und Beratungspflichten des Architekten könnten dabei auch nach außen tretende rechtsberatende Elemente enthalten. Denkbar sei dies insbesondere dann, wenn im Zuge der Betreuung und Beaufsichtigung von Fertigstellungs- und Mangelbeseitigungsarbeiten für den Bauherrn Ansprüche gegenüber dem Werkunternehmer geltend zu machen sind.

Aus all dem folge aber nicht, dass zum Tätigkeitsbild eines Architekten bezogen auf Fragen des öffentlichen Rechts mehr als die fachliche, technische Begleitung und eventuell damit zusammenhängende Empfehlungen rechtlicher Art gehören. Denn der Architekt sei nicht mit einem Rechtsberater des Bauherrn gleichzusetzen.

Praxishinweis

Das Berufsbild des Architekten ist dadurch gekennzeichnet, dass es auf die Erstellung eines Bauwerkes gerichtet ist, sei es durch Planung und/oder durch Ausführung eines Bauvorhabens. Architekten dürfen ihre Auftraggeber über die einschlägigen Rechtsvorschriften informieren und sie darüber beraten, wie sie ihr Bauvorhaben am besten verwirklichen können, und die zur Ausführung des Baus erforderlichen Verträge (etwa mit den Handwerkern) vorbereiten und bei der Auftragserteilung mitwirken (Overkamp/Overkamp in Henssler/Prütting, 19. Aufl. 2019 § 5 RDG, Rn. 14 m. w. N.). Entscheidend für den BGH in der berichteten Entscheidung war jedoch, dass die Architektin sich nicht lediglich auf eine beratende Rolle beschränkte, sondern im Wege der Vertretung für ihre Bauherrschaft im Verwaltungsverfahren tätig wurde.

BGH, Urteil vom 11.02.2021 - I ZR 227/19, rechtskräftig (OLG Koblenz), GRUR-RS 2021, 3374