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Systemwechsel im Personengesellschaftsrecht
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Die Expertenkommission hat ihren Entwurf zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts vorgelegt. Statt punktuellen Verbesserungen geht es dem Entwurf um einen Systemwechsel. Das Ergebnis ist eine weitgehende „Verhandelsgesellschaftung“ der GbR.

7. Mai 2020

Seit dem 29.1.2001 befindet sich das Personengesellschaftsrecht in einer Schieflage. Der BGH entschied: Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) ist rechtsfähig (NJW 2001, 1056). Anknüpfungspunkt war mit § 124 HGB das Recht der oHG. Die rechtliche Verselbständigung ist zunächst eine Abbreviatur, mit der sich die gewollte Verdinglichung der Rechtsverhältnisse der Gesellschafter und die Schaffung eines haftungsrechtlichen Sondervermögens besser erklären lässt und gleichzeitig die Rechtsanwendung vereinfacht wird. Doch die Rechtsprechung machte hier nicht halt. Man bediente sich weiterer Versatzstücke der oHG. Mit der Anerkennung der Rechtsfähigkeit einher ging die unbegrenzte, akzessorische Haftung der Gesellschafter (§ 128 HGB), es folgte die Haftung des eintretenden Gesellschafters für Altschulden (§ 130 HGB). Das war mit Blick auf unternehmenstragende Gesellschaften sicherlich teilweise gerechtfertigt. Schließlich anerkannte die Rechtsprechung auch die Grundbuchfähigkeit der GbR. Hier wurde sie vom Gesetzgeber schnell zurückgepfiffen. Doch auch das gesetzgeberische Gegenmodell der § 899a BGB, § 47 II GBO überzeugte nicht. Es verursachte viel Streit und Ungewissheit.

Im Widerspruch zur Lebenswirklichkeit

Und dennoch: In den letzten Jahren ist es still geworden um die GbR. Die wesentlichen dogmatischen Fragen sind geklärt. Die meisten personengesellschaftsrechtlichen Streitigkeiten gelangen gar nicht mehr vor die ordentlichen Gerichte. Nichtsdestotrotz wurde beharrlich die Notwendigkeit einer umfassenden Reform des Personengesellschaftsrechts behauptet (71. DJT). Der Koalitionsvertrag nahm entsprechende Forderungen auf. Die im August 2018 eingesetzte Expertengruppe hat nunmehr geliefert. Herausgekommen ist ein 210 Seiten starker Entwurf. Er enthält viele sinnvolle Änderungen im Detail. In der Gesamtausrichtung lässt er sich auf den Nenner bringen: Die GbR wird in Richtung oHG geschoben. Inhaltlich und gesetzestechnisch werden Gesellschaft und Gesellschaftsrecht der §§ 705 ff. BGB-E entschlossen durchorgansiert. Alleine die Beibehaltung der Gesamtgeschäftsführung und -vertretung erinnert noch an den Regelungsgegenstand GbR. In der Spitzenvorschrift normiert § 705 II BGB-E die Rechtsfähigkeit der GbR. Im weiteren Rechtsprechungsgehorsam wird das Haftungsregime der oHG auf die GbR übertragen (§§ 721 ff. BGB-E). Abweichungen sind nicht möglich. Das ist in dieser Bandbreite angesichts der Vielgestaltigkeit der Lebensverhältnisse nicht angemessen. Man denke nur an eine in der Flüchtlingshilfe engagierte Gesellschaft mit ideeller Zweckverfolgung. Gerade hier tun sich Wertungswidersprüche zum Recht des nicht eingetragenen Vereins auf (§ 54 BGB-E). Der Entwurf spendiert der GbR ein neues Beschlussmängelrecht (§§ 714a ff. BGB-E). Das Anfechtungsmodell des Aktienrechts wird auf die GbR übertragen. Das passt auf die organisierte Personen(handels)gesellschaft, geht aber nicht als (dispositives) Regelmodell für die GbR. Unglücklich ist auch die übermäßige Perpetuierung der Gesellschaft: Aus den klassischen Auflösungsgründen werden Ausscheidungsgründe. Das widerspricht der Lebenswirklichkeit nicht organisierter Gesellschaften. Man kann von einer organisierten Gesellschaft eine satzungsmäßige Fortsetzungsklausel, aber doch nicht von einer unorganisierten Verbindung ein gesellschaftsvertragliches „opt out“ verlangen.

Ansatzpunkte für eine behutsame Reform

Grundsätzlich zu begrüßen ist die Möglichkeit der Gesellschafter, die Gesellschaft zur Eintragung in ein Gesellschaftsregister anzumelden (§§ 707 ff. BGB-E). Der unselige § 899a BGB kann entfallen. Uneingeschränkt zuzustimmen ist der Öffnung der Personenhandelsgesellschaften für Freiberufler, was vorbehaltlich berufsrechtlicher Schranken den Weg zur KG frei macht. Hier liegt der richtige Ansatz für eine behutsame Reform des Personengesellschaftsrechts. Schon dem historischen Gesetzgeber war bewusst, dass viele Normen der §§ 705 ff. BGB für Erwerbsgesellschaften nicht passen. Deshalb hatten Erste und Zweite Kommission seinerzeit vorgeschlagen, ihnen die Möglichkeit einzuräumen, sich den Normen über die Personenhandelsgesellschaften zu unterwerfen (§ 675 E II). Die Vorschrift wurde letztlich nicht Bestandteil des BGB. Man hielt die damalige Erweiterung des Kaufmannsbegriffs für ausreichend. Das war ein Irrtum. Notwendig ist die Ausweitung des „opt in“ in die §§ 105 ff. HGB. Der Gesetzgeber ist diesen Weg 1998 mit der Einfügung des § 105 II HGB gegangen. Der Entwurf folgt ihm mit der Öffnung der §§ 105 ff. HGB für Freiberufler. Das ist genug! Eine „Verhandelsgesellschaftung“ der GbR braucht es nicht.

Prof. Dr. Andreas Bergmann lehrt u.a. Handels- und Gesellschaftsrecht an der FernUniversität Hagen.