Kolumne
Syndizierung
Kolumne

Hier geht’s seit Jahren um den Rechtsmarkt, also um den Ort, an dem sich Anbieter und Nachfrager von Rechtsdienstleistungen treffen, um ins Geschäft zu kommen. Eine zentrale Rolle unter den Anbietern spielen immer noch die Anwälte, da können andere Rechtsdienstleister nicht mithalten. Oder noch nicht. Die Zahl der zugelassenen Anwälte, seit über 70 Jahren stetig gestiegen, stagniert seit einigen Jahren bzw. geht zurück. Zum 1.1.​2023 waren es noch 165.186 Anwälte, 0,24 % weniger als im Vorjahr.

5. Okt 2023

Wenn man sich die Gründe anschaut, die zum Rückgang führen, ist nicht anzunehmen, dass die Zahlen wieder deutlich nach oben gehen. Viel hat mit „der Fläche“ zu tun, der eine Studie der BRAK mal Unattraktivität für den Anwaltsberuf bescheinigte, davon war hier schon die Rede. Aber auch die Zahl der Jurastudierenden mit Ziel Volljurist scheint zu stagnieren. Es ist ein Bündel von Gründen, die es ausgeschlossen erscheinen lassen, dass die Zulassungszahlen dereinst wieder signifikant ansteigen werden.

Betrachtet man die Zahlen genauer, dann stellt man fest, dass der Rückgang ohne die Syndizi, richtig Syndikusrechtsanwälte, viel dramatischer aussähe. Denn die Zahl der (nur) niedergelassenen Anwälte ging in den letzten beiden Jahren um jeweils ca. 2.000 Zulassungen zurück, interessanterweise haben deutlich mehr Anwälte aufgegeben als Anwältinnen, aber egal. Die Zulassungen der Syndizi sind im gleichen Zeitraum fast um dieselben Zahlen gestiegen. Ob sich das so fortsetzen wird, kann man nicht sagen, zumal Unternehmen nicht nur Syndikusrechtsanwälte, sondern auch zunehmend Wirtschaftsjuristen einstellen, aber gefühlt brauchen Unternehmen immer mehr Juristen, weil das regulatorische Umfeld immer komplexer wird, Stichworte Lieferketten, Datenschutz, Compliance, Produkthaftung, Sie wissen schon. Der Anteil weiblicher Syndizi (ca. 60 % bei den Nur-Syndikusanwältinnen, 45,5 % bei den Doppelzulassungen) ist nebenbei bemerkt deutlich höher als bei den niedergelassenen Anwälten (dort 36,7 %). Unternehmen bieten ein attraktiveres und oft familienfreundlicheres Arbeitsumfeld als die Anwaltschaft.

Je mehr Syndizi es gibt, desto schwieriger wird es für wirtschaftsberatende Anwälte. Denn Unternehmen haben die Tendenz, ihren Rechtsberatungsbedarf hausintern zu erledigen und nur in Ausnahmefällen auf externe Anwälte zurückzugreifen. Inhouse-Anwälte sind nicht nur „günstiger“, weil ihr interner Stundensatz weniger als die Hälfte des Stundensatzes eines externen Anwalts beträgt, sondern sie kennen ihr Unternehmen aus dem Effeff und finden es nicht ungewöhnlich, wenn ihre Dienstleistung von den unternehmensinternen Mandanten regelmäßig bewertet wird. Sie müssen sich auch viel mehr mit Wirtschaftlichkeit und Mehrwert ihrer Leistungen für das Unternehmen befassen. Dafür stehen externe Anwälte offenbar nicht. Syndizi, in den Augen vieler Niedergelassener die Kellerkinder der Anwaltschaft, als Zukunft der Wirtschaftsrechtsberatung? Vielleicht zu steil, diese These.

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Markus Hartung ist Rechtsanwalt und Mediator in Berlin, Senior Fellow des Bucerius Center on the Legal Profession und Mitglied des Berufsrechtsausschusses des DAV.