Urteilsanalyse
Streugut nicht gleich nach jeder Verwendung wieder von Straße zu beseitigen
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Vom Streupflichtigen kann nicht verlangt werden, dass er das von ihm pflichtgemäß ausgebrachte Streugut gleich nach jeder Verwendung wieder von der Straße beseitigt. Dies stellt das Oberlandesgericht Schleswig klar und merkt an, dass ein als Streugut aufgebrachtes Splitt-Salz-Gemisch gerade bei Fußwegen sehr gebräuchlich ist und auch dazu dient, präventiv die von künftigen Schneefällen und Eisbildungen ausgehenden Gefahren zu mindern. 

15. Okt 2020

Anmerkung von
Senator E. h. Ottheinz Kääb, LL.M., Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verkehrsrecht und Versicherungsrecht, München

Aus beck-fachdienst Straßenverkehrsrecht 20/2020 vom 08.10.2020

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GG Art. 34; BGB § 839; StrWG SH §§ 10 III45 I

Sachverhalt

Die Klägerin war an einem frostfreien Tag Ende März mit ihrem Fahrrad in Schleswig-Holstein unterwegs. Bei einwandfreien Fahrbahnbedingungen fuhr sie auf einem Gehweg, der auch für den Fahrradverkehr zugelassen war. Als sie zum Überqueren der Straße an einem Überquerungsabschnitt nach links abbog, stürzte sie und verletzte sich dabei nicht unerheblich.

Außergerichtliche Bemühungen um Schadenersatz blieben ohne Erfolg.

Vor Gericht begehrte die Klägerin vom Streupflichtigen materiellen und immateriellen Schadenersatz. Nach Anhörung der Klägerin und einer Beweisaufnahme durch Verwertung vorgelegter Lichtbilder wies das Landgericht Flensburg die Klage ab. Zwar habe an der Unfallstelle noch Streugut (Splitt-Salz-Gemisch) gelegen. Ein Fahrradfahrer müsse aber damit rechnen, dass nicht sofort dann, wenn die Witterungsverhältnisse es zuließen, Streumaterial wieder entfernt werde.

Rechtliche Wertung

Die Berufung der Klägerin gegen das klageabweisende Urteil des LG blieb erfolglos. Es könne vom Streupflichtigen nicht verlangt werden, dass er das pflichtgemäß ausgebrachte Streugut sofort dann, wenn es gerade nicht mehr benötigt wird, wieder beseitigt, so das OLG Schleswig. Zudem sei das Splitt-Salz-Gemisch, das hier als Streugut zum Einsatz gekommen sei, durch seinen einmaligen Einsatz aufgrund einer streupflichtigen Situation nicht verbraucht. Vielmehr diene es auch dazu, die von künftigen Schneefällen und Eisauftritt ausgehenden Gefahren zu mindern. Gerade bei Fußwegen sei ein solches Splitt-Salz-Gemisch deswegen sehr gebräuchlich. Dass der Streupflichtige ein Splitt-Salz-Gemisch verwendet habe, sei ihm also nicht anzulasten. Es sei jedenfalls ein geeignetes Streumittel. Die Auswahl liege im pflichtgemäßen Ermessen des Streupflichtigen. Ihm könne keine bestimmte Beschaffenheit von Streugut vorgeschrieben werden. 

Weiter hebt das OLG hervor, dass es an der Westküste Schleswig-Holsteins auch Ende März noch zu Frost kommen kann. Die Streurückstände hätten also nicht schon deshalb beseitigt werden müssen, weil mit Frösten zu jener Jahreszeit nicht mehr habe gerechnet werden können.

Praxishinweis

Die Entscheidung wird hier besprochen, weil sich am Streugut die Geister scheiden: Gestritten wird von denjenigen, die Häuser und Wohnungen putzen müssen und von Umweltbewussten. Ein für jedermann passendes Streumittel wird es wohl nicht geben. Auch die besonderen örtlichen Verhältnisse sind bei der Auswahl zu berücksichtigen. Diese aber kennt der Streupflichtige wohl am besten. Er kann daher frei darüber entscheiden, welches Streumittel er einsetzt.

OLG Schleswig, Beschluss vom 10.09.2020 - 7 U 25/19 (LG Flensburg), BeckRS 2020, 23205