Anmerkung von
Rechtsanwalt Prof. Dr. Wolf-Rüdiger Bub und Rechtsanwalt Nikolay Pramataroff, Rechtsanwälte Bub, Memminger & Partner, München, Frankfurt a.M.
Aus beck-fachdienst Miet- und Wohnungseigentumsrecht 23/2021 vom 18.11.2021
Diese Urteilsbesprechung ist Teil des zweiwöchentlich erscheinenden Fachdienstes Miet- und Wohnungseigentumsrecht. Neben weiteren ausführlichen Besprechungen der entscheidenden aktuellen Urteile im Miet- und Wohnungseigentumsrecht beinhaltet er ergänzende Leitsatzübersichten und einen Überblick über die relevanten neu erschienenen Aufsätze. Zudem informiert er Sie in einem Nachrichtenblock über die wichtigen Entwicklungen in Gesetzgebung und Praxis. Weitere Informationen und eine Schnellbestellmöglichkeit finden Sie unter www.beck-online.de
Sachverhalt
Die Parteien bilden eine Wohnungseigentümergemeinschaft. Am 13.06.2014 fand eine Eigentümerversammlung statt, in welcher Beschlüsse gefasst wurden. Auf die Beschlussanfechtungsklage hin hat das Amtsgericht die Beschlüsse für ungültig erklärt. Die Berufung der Beklagten vor dem Landgericht ist erfolglos geblieben. Die Revision gegen sein Urteil hat das Landgericht nicht zugelassen. Dagegen wenden sich die Beklagten mit der Nichtzulassungsbeschwerde.
Entscheidung
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20.000 EUR nicht übersteigt.
Für die Wertgrenze der Nichtzulassungsbeschwerde nach § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO sei der Wert des Beschwerdegegenstands aus dem beabsichtigten Revisionsverfahren maßgebend; um dem Revisionsgericht die Prüfung dieser Zulässigkeitsvoraussetzung zu ermöglichen, müsse der Beschwerdeführer innerhalb laufender Begründungsfrist darlegen und glaubhaft machen, dass er mit der beabsichtigten Revision das Berufungsurteil in einem Umfang, der die Wertgrenze von 20.000 EUR übersteigt, abändern lassen wolle.
Diesen Anforderungen genüge die Beschwerdebegründung nicht.
Addiere man das wirtschaftliche Interesse der Beklagten zu den einzelnen Beschlüssen, errechne sich eine Gesamtbeschwer der Beklagten in Höhe von 18.283,20 EUR; eine Beschwer von mehr als 20.000 EUR sei damit nicht dargelegt.
Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruhe auf § 49a Abs. 1 GKG aF, der hier noch anwendbar sei.
Dem stehe nicht entgegen, dass die Nichtzulassungsbeschwerde am 03.12.2020 und damit nach Inkrafttreten des Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetzes eingegangen ist. Sei eine Beschlussanfechtungsklage - wie hier - vor dem 01.12.2020 bei Gericht anhängig geworden, bemesse sich der Streitwert analog § 48 Abs. 5 WEG auch für nach diesem Zeitpunkt eingelegte Rechtsmittel nach § 49a GKG aF und nicht nach § 49 GKG. Die (allgemeine) Übergangsvorschrift des § 71 Abs. 1 Satz 2 GKG, wonach in der Rechtsmittelinstanz neues Recht anwendbar wäre, werde insoweit verdrängt. Hierfür spreche zum einen bereits der Wortlaut des § 49 GKG, der eine Regelung für die Bestimmung des Streitwerts (nur) für „Verfahren nach § 44 Abs. 1 des Wohnungseigentumsgesetzes“ treffe und damit ersichtlich auf eine Vorschrift des neuen Rechts verweist. Zum anderen entspreche auch nur diese Sichtweise dem Willen des Gesetzgebers. Dadurch, dass der Streitwert nunmehr (§ 49 Satz 2 GKG) auf den siebeneinhalbfachen und nicht mehr auf den fünffachen Wert des Interesses (§ 49a Abs. 1 Satz 2 GKG aF) des Klägers und der auf seiner Seite Beigetretenen gedeckelt und damit höher sei als nach dem bisherigen Recht, habe der Gesetzgeber den Wegfall der Mehrvertretungsgebühr für den Beklagtenvertreter kompensieren wollen. Nach neuem Recht sei die Beschlussklage nämlich nicht mehr gegen die übrigen Wohnungseigentümer (so § 46 Abs. 1 Satz 1 WEG aF), sondern gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu richten (§ 44 Abs. 2 Satz 1 WEG), so dass der Rechtsanwalt auf Beklagtenseite nur noch einen Mandanten vertrete. Mit diesem Verständnis des § 49 GKG sei es nicht zu vereinbaren, wenn in einem Fall, in dem aufgrund der Übergangsbestimmung des § 48 Abs. 5 WEG im Rechtsmittelverfahren die übrigen Wohnungseigentümer weiter Beklagte der Beschlussanfechtungsklage bleiben, bei der Bestimmung des Streitwerts mit § 49 GKG eine Vorschrift angewendet würde, die nach der Vorstellung des Gesetzgebers voraussetze, dass die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer Beklagte ist. Gelten für die Beschlussanfechtungsklage noch die bisherigen Verfahrensvorschriften, sei deshalb auch bei der Bestimmung des Streitwerts das bisherige Recht und damit § 49a GKG aF anzuwenden.
Praxishinweis
Der BGH setzt seine bisherige Rechtsprechung fort (Beschluss vom 10.03.2021 - V ZR 174/20, NZM 2021, 517 Rn. 3), wonach sich in Verfahren, wie dem vorliegenden (Klage vor Gesetzesänderung, Rechtsmittel danach), aufgrund der Übergangsregelung des § 48 Abs. 5 WEG der Streitwert des Rechtsmittels nach § 49a GKG aF bestimmt.
Mit guter Argumentation wendet sich der BGH damit gegen eine in der Literatur vertretenen Ansicht, nach der in solchen Fällen die allgemeine Übergangsvorschrift des § 71 Abs. 1 Satz 2 GKG anzuwenden sei (Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rn. 1994; Skauradszun/Elzer/Hinz/Riecke, Die WEG-Reform 2020, § 10 Rn. 15; Suilmann in Jennißen, WEG, 7. Aufl., § 49 GKG Rn. 8).
BGH, Beschluss vom 30.09.2021 - V ZR 258/20 (LG Köln), BeckRS 2021, 3193