Urteilsanalyse
Streitwert eines Unterlassungsverfahrens wegen Schleichwerbung einer Influencerin
Urteilsanalyse
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Der Streitwert eines wettbewerbsrechtlichen einstweiligen Verfügungsverfahrens, in dem ein Wettbewerbsverband den Auftritt einer Influencerin auf Instagram wegen mangelnder Kennzeichnung der Inhalte als Werbung beanstandet, orientiert sich nach einem Beschluss des KG vom 08.09.2020 auch an der Anzahl der Follower der Influencerin.

18. Dez 2020

Anmerkung von
Rechtsanwalt Dr. Hans-Jochem Mayer, Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Fachanwalt für Arbeitsrecht, Bühl

Aus beck-fachdienst Vergütungs- und Kostenrecht 25/2020 vom 17.12.2020

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Sachverhalt

In einem wettbewerbsrechtlichen Eilverfahren hatte ein Wettbewerbsverband den Auftritt der Antragsgegnerin auf Instagram wegen mangelnder Kennzeichnung der Inhalte als Werbung in drei Fällen moniert. Das Landgericht setzte den Streitwert auf 15.000 EUR fest. Dagegen legte der Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin Beschwerde ein, mit der er eine Heraufsetzung des Streitwerts erstrebte.

Entscheidung: Wettbewerblicher Einfluss der Instagram-Inhalte gering, vergleichsweise kleine Follower-Anzahl

Das Landgericht wies die Beschwerde zurück.

Gemäß § 51 Abs. 2 GKG sei der Streitwert in Verfahren über Ansprüche nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb nach der sich aus dem Antrag des Klägers/Antragstellers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Für die Bemessung sei somit in erster Linie das wirtschaftliche, eigene Interesse des Unterlassungsgläubigers an der Anspruchsverwirklichung maßgebend. Bei Wettbewerbsverbänden sei das Interesse des Verbandes im Regelfall ebenso zu bewerten wie das eines gewichtigen Mitbewerbers. Dieses Interesse sei nach der Gefährlichkeit (dem «Angriffsfaktor») der zu unterbindenden Handlung für den Wettbewerber anhand des drohenden Schadens (Umsatzeinbußen, Marktverwirrungs- und Rufschaden) zu bestimmen. Es hänge insbesondere von den Unternehmensverhältnissen bei dem Verletzer und dem Verletzten (Umsatz, Größe, Wirtschaftskraft, Marktstellung, Perspektiven), der Intensität des Wettbewerbs zum Verletzten (in räumlicher, sachlicher und zeitlicher Hinsicht), den Auswirkungen zukünftiger Verletzungen (Ausmaß, Intensität und Häufigkeit, indiziert durch die bereits begangene Verletzungshandlung), dem Grad der Wiederholungsgefahr (Verschuldensgrad, nachheriges Verhalten, Unterlassungspflichten gegenüber Dritten) sowie der Nachahmungsgefahr ab.

Ein gewichtiges Indiz für die Schätzung des Interesses bilde die Angabe des Streitwerts in der Klage- oder Antragsschrift, es sei denn, es ergebe sich aus den Umständen, dass die Angabe fehlerhaft ist. Die Streitwertangabe entbinde das Gericht aber nicht der Notwendigkeit, diese selbstständig nachzuprüfen. Diese Grundsätze gölten entsprechend für das Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, wobei der Verfahrenswert gemäß § 51 Abs. 4 GKG regelmäßig mit 2/3 eines entsprechenden Hauptsacheverfahrenswertes bemessen werden könne.

Der vom LG festgesetzte Wert sei danach nicht zu beanstanden. Der Einfluss der von der Antragsgegnerin auf Instagram präsentierten Inhalte auf das Wettbewerbsgeschehen sei relativ gering. Denn die Antragsgegnerin könne sich nicht vorrangig auf ihre eigene Prominenz berufen, sondern leite diese primär von anderen Familienmitgliedern ab. Zudem seien die Unternehmen, mit deren Websites die Instagram-Auftritte verlinkt seien, nicht sonderlich bekannt. Auch falle ins Gewicht, dass die Anzahl der Follower auf Instagram mit 225.000 oder 250.000 hinter der Anzahl der Follower von sehr bedeutsamen Influencern zurückbleibe, die regelmäßig siebenstellig seien. Die Antragsgegnerin habe die in Rede stehenden Produkte auch nicht weiter beworben, sondern lediglich getragen. Schließlich sei nicht ersichtlich, dass die Angaben des Antragstellers zum Verfahrenswert in der Antragsschrift fehlerhaft sind. Anhaltspunkte für eine Minderung des Streitwertes nach § 51 Abs. 3 Satz 1 GKG wegen einer erheblich geringeren Bedeutung der Sache für die Antragsgegnerin bestünden ebenfalls nicht.

Praxishinweis

In Wettbewerbssachen ist gemäß § 51 Abs. 2 GKG der Gebührenstreitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers ergebenden Bedeutung nach Ermessen zu bestimmen. Abzustellen ist auf das wirtschaftliche Interesse des Klägers, das nach objektiven Maßstäben zu bewerten ist (Dörndorfer in Binz/Dörndorfer/Zimmermann, GKG, FamGKG, JVEG, 4. Aufl. 2019, § 51 GKG Rn. 4). Ein Regelstreitwert für Wettbewerbssachen ist mit den Vorschriften des § 3 ZPO und des § 51 Abs. 2 GKG nicht vereinbar, die eine Ermessensausübung durch das Gericht vorsehen (BGH, Beschluss vom 22.01.2015 - I ZR 95/14, BeckRS 2015, 3109).

KG, Beschluss vom 08.09.2020 - 5 W 1023/20 (LG Berlin), GRUR-RS 2020, 28679