Anmerkung von
Rechtsanwalt Nikolay Pramataroff, Rechtsanwältin Franziska Bordt, Rechtsanwälte Bub, Memminger & Partner, München
Aus beck-fachdienst Miet- und Wohnungseigentumsrecht 04/2023 vom 03.03.2023
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Sachverhalt
Mit der Klage begehrten die Kläger von der beklagten Wohnungseigentümergemeinschaft die Ermächtigung zur Einberufung einer Eigentümerversammlung mit einer bestimmten Tagesordnung (acht Beschlussvorschläge). Das Gesamtinteresse der erwünschten Beschlüsse hat das Amtsgericht unbestritten mit 4.950 EUR bemessen und den Streitwert auf 4.950 EUR festgesetzt. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Beklagten, die erstrebt, den Streitwert allenfalls mit den möglichen Kosten für die Durchführung einer Eigentümerversammlung zu bemessen.
Entscheidung
Die Beschwerde hat Erfolg.
Der Streitwert bemesse sich bei einer Beschlussersetzungsklage gemäß § 49 GKG nach dem Gesamtinteresse aller Wohnungseigentümer, wobei das 7,5fache klägerische Interesse die Grenze bilde.
Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts sei das Gesamtinteresse allerdings nicht mit dem Interesse der begehrten Beschlüsse gleichzusetzen, andererseits sei es aber auch nicht sachgerecht, das Interesse lediglich mit den Kosten für die Durchführung einer Eigentümerversammlung zu bemessen.
Da der Streitgegenstand des Einberufungsverlangens nicht die begehrten Beschlussfassungen seien, sondern lediglich die Frage, ob eine Eigentümerversammlung mit den begehrten Tagesordnungspunkten einberufen werden könne, sei es nicht angängig, den Streitwert eines Einberufungsverlangens mit dem vollen Interesse an der begehrten Beschlussfassung gleich zu setzen. Dies verkenne, dass der Kläger im Obsiegensfalle nicht bereits zu den begehrten Beschlüssen gelange, sondern lediglich auf der Eigentümerversammlung die Möglichkeit erhalte, die übrigen Eigentümer von der Notwendigkeit der Beschlussfassung zu überzeugen. Im Falle einer Beschlussablehnung sei damit die Vorbefassung durchgeführt, so dass ein Rechtschutzbedürfnis für eine Beschlussersetzungsklage bestehe. Eine Gleichsetzung der Werte des Einberufungsverlangens mit einer Beschlussklage über die letztlich begehrten Beschlüsse sei daher nicht sachgerecht.
Allerdings könne das Interesse an der Durchführung der Eigentümerversammlung auch nicht völlig losgelöst von den nach Auffassung des Klägers zu behandelnden Themen bemessen werden, denn die Durchführung der Eigentümerversammlung werde im Regelfall - so auch hier - vom Kläger nicht als Selbstzweck begehrt, sondern diene der Fassung bestimmter Beschlüsse. Dieses Interesse sei bei der Streitwertfestsetzung zu berücksichtigen. Gegen die Annahme, alleine die Kosten der Durchführung der Eigentümerversammlung bildeten das Gesamtinteresse ab, spreche im Falle der Beschlussersetzungsklage auf Ermächtigung zur Einberufung auch, dass mit der Einberufung der Eigentümer lediglich im Innenverhältnis eine beschränkte Organstellung erhalte, welche ihn berechtige, für die Gemeinschaft die Einberufung vorzunehmen. Eine Vertretungsmacht im Außenverhältnis, die den ermächtigten Eigentümer etwa berechtigen würde, zu Lasten der Gemeinschaft Verträge über die Anmietung eines Saales einzugehen, sei damit nicht verbunden. Im Außenverhältnis bleibe es, wenn die Gemeinschaft - wie hier - keinen Verwalter habe, alleine bei der - unpraktikablen - Gesamtvertretung des § 9b Abs. 1 Satz 2 WEG. Im Anschluss bestehende Erstattungsansprüche gegen die Gemeinschaft, könnten jedenfalls alleine den Streitwert nicht bestimmen.
Interessensgerecht sei es daher den Streitwert für ein Einberufungsverlangen mit 25% des Interesses an den gefassten Beschlüssen zu bemessen. Diese Quote berücksichtige einerseits das Interesse des Klägers an der begehrten Beschlussfassung, nehme andererseits aber auch in den Blick, dass Streitgegenstand der Klage auf Ermächtigung zur Einberufung nicht die letztlich begehrte Beschlussfassung sei, sondern lediglich die Ermöglichung einer Beschlussfassung auf einer Eigentümerversammlung.
Praxishinweis
Der Streitwert einer Beschlussersetzungsklage mit dem Ziel, eine Eigentümerversammlung einzuberufen, beträgt einen Bruchteil des Wertes der in dieser Versammlung angestrebten Beschlüsse (Dötsch, in Bärmann/Pick, Wohnungseigentumsgesetz, 20. Auflage 2020, Anhang § 50 WEG, Rn. 27E). Die Höhe des Bruchteils ist strittig:
Zum Teil wird angenommen, dass der Streitwert in solchen Fällen, die Hälfte des Streitwerts einer Anfechtungsklage gegen den Beschluss sei (Niedenführ/Schmidt-Räntsch/Vandenhouten, Kommentar und Handbuch zum WEG, 13. Auflage 2019, § 49a GKG, Rn. 22; BayObLG, Beschluss vom 11.09.1997 – 2Z BR 97/97, BeckRS 1997, 7813; LG Frankfurt a. M., Beschluss vom 06.01.2016 – 2-13 T 152/15, BeckRS 2016, 5707). Andere gehen davon aus, dass der Wert sich nach dem Interesse richtet, dass der Eigentümer an der Einberufung einer solchen Versammlung hat, was so verstanden werden kann, dass damit die Kosten der Durchführung der Versammlung gemeint sind (Elzer in BeckOK WEG, Hogenschurz, 01.01.2023, § 44 WEG, Rn. 131).
Der BGH hat bei einer Klage auf Zustimmung des Verwalters zum Verkauf der Einheit entschieden, dass der Streitwert 20% des Kaufpreises beträgt und dies damit begründet, dass durch die Verweigerung der Zustimmung die Veräußerung nicht allgemein verhindert, sondern grundsätzlich nur verzögert wird, bis die Erteilung der Zustimmung im Klageweg durchgesetzt wird oder der Wohnungseigentümer einen Erwerber findet, gegen den kein wichtiger Grund spricht. Der Nachteil des Wohnungseigentümers, der veräußern will, liegt daher grundsätzlich nur in der Verzögerung der Veräußerung (BGH, Beschluss vom 15.11.2018 – V ZR 25/18, NZM 2019, 178). Ähnlich verhält es sich im vorliegenden Fall, da durch die im Klagewege erstrebte Einberufung, diese lediglich verzögert. Dem LG ist daher zuzustimmen, dass der Streitwert vorliegend 25% des Wertes der begehrten Beschlüsse entspricht.
LG Frankfurt a. M., Beschluss vom 02.02.2023 - 2/13 T 3/23 (AG Kassel), BeckRS 2023, 1255