Welchem Anwalt, welcher Anwältin kommt dies nicht bekannt vor: Man stellt einen Kostenfestsetzungsantrag. Wiedervorlage der Akte: in drei Monaten. Eigentlich glaubt man selbst nicht daran, dass nach drei Monaten der Kostenfestsetzungsbescheid (KFB) erlassen ist, aber die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Als die Akte wieder auf dem Tisch landet, ist natürlich kein KFB da, und auch sonst nichts. Mit seinem Seufzer notiert man: weitere drei Monate. Doch auch nach sechs Monaten: Still ruht der See. Man ruft bei der Geschäftsstelle an. Auskunft: „Die Akte liegt der Rechtspflegerin vor. Aber die hat erst Urlaub und danach Fortbildung.“ Drei Wochen später erneute Anrufe, nach etlichen Versuchen hat man die Rechtspflegerin endlich an der Strippe – sie arbeitet Teilzeit und ist nur dienstagvormittags und donnerstags da. Sie möchte wissen, wann man den KFB beantragt habe. Ach, im Dezember letzten Jahres? Dann könne man bald mit der Erledigung rechnen, sie sei jetzt bei September. Es fehle eben an Personal, und die Rückstände würden nicht geringer, sondern ständig größer.
Leider kein Einzelfall, sondern inzwischen die Regel. Angesichts dessen habe ich nach Kostengrundentscheidungen zugunsten unserer Partei immer wieder mal die zu erstattenden Kosten ausgerechnet und bei den Prozessvertretern der Gegenseite nachgefragt, ob die Mandantschaft die Kosten nicht ohne gerichtliches Kostenfestsetzungsverfahren bezahlen möchte; immerhin spart sie damit die Zinsen seit Antragstellung. Die Bilanz dieser Anfragen ist ernüchternd: In keinem einzigen Fall bestand Interesse. Befürchten die Kolleginnen und Kollegen Haftungsrisiken? Haben sie schlicht keine Lust, die Berechtigung der Kostenhöhe zu überprüfen? Oder sind die Kostenschuldner ganz froh, wenn sie nach einem verlorenen Prozess nicht auch noch gleich die gegnerischen Kosten aufbringen müssen, Zinsen hin oder her? Wie auch immer, das Kostenfestsetzungsverfahren sollte doch wohl dem Berechtigten auf einfache Weise zu seiner Kostenerstattung verhelfen. Wenn aber inzwischen mit monate- wenn nicht jahrelangen Bearbeitungszeiten gerechnet werden muss, wird dieses Verfahren zur Farce.
In der überwiegenden Anzahl der Fälle ist die Kostenberechnung unkompliziert und auch gar nicht streitig. Wozu muss selbst in diesen Fällen das Gericht bemüht werden? Es ginge doch viel einfacher: Die obsiegende Partei berechnet ihre Kosten und verlangt von der Gegenseite Zahlung. Unterbleibt diese und gibt es keine durchgreifenden Einwände, gerät die zahlungspflichtige Seite in Verzug mit allen Verzugsfolgen. Erst dann muss das Gericht tätig werden, aber bitte dann auch zu Lasten der säumigen Partei. In einem solchen Fall wird sich diese genau überlegen, ob das Gericht bemüht werden soll oder nicht.
Vorteile für alle Beteiligten überwiegen
Die Vorteile einer solchen Vorgehensweise liegen auf der Hand: Die Rechtspfleger würden von tausenden Fällen entlastet, in denen sie Kostenfestsetzungsanträge prüfen und Kostenfestsetzungsbeschlüsse erlassen müssen. Für die Anwälte ergibt sich kein Mehraufwand: Ob sie die Kostenberechnung an den Gegenanwalt schicken oder ans Gericht, macht keinen Unterschied. Ob sie die Kostenberechnung des Gegenanwalts oder die des Gerichts auf ihre Richtigkeit prüfen, ebensowenig. Auch Kostenquotelungen dürften im Zeitalter der KI keinen umweltschädlichen Verbrauch von Gehirnschmalz mit sich bringen. Und wenn die Kostenhöhe streitig wird, können Anwalt und Gericht für ihren Aufwand Gebühren nach RVG und GKG berechnen. Vermutlich wurden so 90 % der gerichtlichen Kostenfestsetzungsverfahren entfallen.
Mehr als eines Federstrichs des Gesetzgebers bedürfte es nicht, um das Verfahren zu reformieren, Bürokratie abzubauen und dadurch den Gerichten und Rechtspflegern zu einer massiven Entlastung zu verhelfen. Dass ihnen dadurch langweilig wird, ist nicht zu befürchten. Denn auch bei Anträgen auf Erlass von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen, auf die Anordnung von Zwangsversteigerungen oder die Erteilung von Erbscheinen gilt: Welchem Anwalt, welcher Anwältin kommt dies nicht bekannt vor.
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