Um Cum-Ex- und Cum-Cum-Geschäfte, die jahrelang für Schlagzeilen sorgten, ist es in der letzten Zeit ruhig geworden. Das überrascht, handelt es sich doch nach Erkenntnissen eines Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestags aus dem Jahr 2017 um den größten Fall von Finanzkriminalität in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, der seit einigen Jahren Gegenstand zahlreicher straf-, zivil- und finanzgerichtlicher Verfahren ist und Staatsanwaltschaften ebenso wie Finanzbehörden beschäftigt. Viele dieser Verfahren laufen zurzeit noch.
Worum geht es?
Sowohl bei Cum-Ex- als auch bei Cum-Cum-Geschäften geht es um Aktienhandel in unmittelbarer zeitlicher Nähe zum Dividendenstichtag. Während bei Cum-Ex-Geschäften nur einmal abgeführte Kapitalertragssteuer durch Ausnutzung der Möglichkeit eines Leerverkaufs unberechtigt und damit zum Schaden des Fiskus mehrfach erstattet wird, kommt es bei Cum-Cum-Geschäften zur unberechtigten Erstattung von Kapitalertragssteuer an den inländischen Entleiher der Aktie. Die Steuer wäre vom ausländischen Verleiher eigentlich zu zahlen, fließt aber infolge der Leihe an den Ausländer zurück.
Eine mögliche Erklärung für die einkehrende Ruhe ist, dass die Verfahren gegen zwei der Hauptakteure, nämlich Hanno Berger und Christian Olearius, praktisch erledigt sind. Berger ist rechtskräftig verurteilt, und Olearius wurde verhandlungsunfähig. Eine andere Erklärung dürfte sein, dass sich auch auf der Seite der Ermittler zwei Hauptakteure aus dem Komplex verabschiedet haben. Zum einen Anne Brorhilker, die Kölner Oberstaatsanwältin, die die systematische Verfolgung der Cum-Ex-Straftaten vor über zehn Jahren ins Rollen gebracht hat und sich um die Verfolgung der Steuerstraftaten größte Verdienste erworben hat. Im April 2024 hatte sie – verbunden mit scharfer Kritik an der aus ihrer Sicht unzureichenden Aufarbeitung des Steuerskandals – um Entlassung aus dem Staatsdienst gebeten. Zum anderen Stephan Bredt, der langjährige Leiter der Abteilung Börsenaufsicht im Hessischen Wirtschaftsministerium, der ebenfalls diese Position verlassen hat, nachdem er mit großem und höchst verdienstvollem Engagement und erheblichem Aufwand die Aufarbeitung der Rolle der Frankfurter Wertpapierbörse und ihrer Trägerin DBAG im Zusammenhang mit Cum-Ex betrieben hat. In beiden Fällen, sowohl bei der Staatsanwaltschaft als auch bei der Börsenaufsicht, mangelte es ganz offensichtlich am Rückhalt und an der Unterstützung dieser Ermittlungsarbeit. Erstaunlich ist zudem das Ausmaß an mangelnder Zusammenarbeit der Bundesebene mit Staatsanwaltschaft und Börsenaufsicht: So war das Bundesfinanzministerium nach Presseberichten nicht bereit, eine ihm vorliegende Liste mit 566 potenziellen Cum-Ex-Betrügern mit der Kölner Staatsanwaltschaft zu teilen. Und die BaFin, die für die Finanzmarktaufsicht zuständig ist, sah sich zu keinem Zeitpunkt veranlasst, ernsthaft der Frage nachzugehen, inwieweit Cum-Ex- und Cum-Cum-Geschäfte das Kapitalmarktrecht verletzen. Vielmehr zog man sich dort auf die Feststellung zurück, eine Untersuchung der EU-Kommission habe keine Verdachtsmomente ergeben. Diese „Untersuchung“ erwies sich als Umfrage unter Mitgliedstaaten, ob man Ermittlungen wegen Cum-Ex angestellt habe.
Kein Interesse mehr an der Aufarbeitung?
Betrachtet man den Stand der Dinge, so kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass allseits das Interesse an der Aufarbeitung des größten Falls von Finanzkriminalität erlahmt. Das ist umso bedenklicher, als ständig neue Varianten der bekannten Cum-Ex- und Cum-Cum-Modelle erfunden werden und davon auszugehen ist, dass der Steuerbetrug unvermindert weitergehen wird. Wenn dies das Ergebnis einer unheilvollen Allianz von falsch verstandener „Standortpflege“ und Finanzinteressen sein sollte, wäre das fatal. Denn nichts schadet dem Finanzplatz und dem Vertrauen der Anleger in den Kapitalmarkt mehr als laissez-faire gegenüber strafbarem Verhalten einzelner Marktteilnehmer und ebenso strafbarer Marktmanipulation, für die es bei Cum-Ex und Cum-Cum greifbare Anhaltspunkte gibt. Cum-Ex und Cum-Cum: War’s das schon? Schöner wär’s, wenn nicht.
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