Standpunkt

Zum Schei­tern ver­ur­teilt
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Ende Ja­nu­ar 2014 for­der­te Ro­nald S. Lau­der, der Prä­si­dent des World Je­wish Con­gress, an­läss­lich des spek­ta­ku­lä­ren Funds von ver­meint­li­cher NS-Raub­kunst bei Cor­ne­li­us Gur­litt öf­fent­lich­keits­wirk­sam ein deut­sches Raub­kunst­ge­setz. Der nun vor­lie­gen­de Re­fe­ren­ten­ent­wurf des Bun­des­jus­tiz­mi­nis­te­ri­ums ent­täuscht lei­der auf gan­zer Linie.

11. Jun 2024

Ei­gent­lich soll­te es selbst­ver­ständ­lich sein, dass ge­stoh­le­ne oder ge­raub­te Kul­tur­gü­ter wie­der zu­rück­ge­ge­ben wer­den müs­sen. Vor Ge­richt las­sen sich indes sol­che Re­sti­tu­ti­ons­an­sprü­che der jü­di­schen Alt­ei­gen­tü­mer bzw. deren Erben nicht mehr durch­set­zen, sie schei­tern ge­wöhn­lich an be­stehen­den Aus­schluss- und Ver­jäh­rungs­fris­ten der Rück­erstat­tungs­ge­set­ze des Be­sat­zungs­rechts und des Ver­mö­gens­ge­set­zes oder an einem Ei­gen­tums­er­werb durch Er­sit­zung oder öf­fent­li­che Ver­stei­ge­rung. Denn die meis­ten der wäh­rend der Na­zi­zeit ge­raub­ten Kul­tur­gü­ter wur­den nach 1945 wei­ter ge­han­delt. An die­ser Stel­le setzt die „Wa­shing­to­ner Er­klä­rung“ von 1998 an, in der die Grund­zü­ge der Re­sti­tu­ti­on von NS-Raub­kunst fest­ge­legt sind. Darin ver­pflich­te­ten sich 44 Staa­ten, unter ihnen Deutsch­land, NS-Raub­kunst durch Pro­ve­ni­enz­re­cher­chen auf­zu­fin­den und zu „fai­ren und ge­rech­ten Lö­sun­gen“ bei der Rück­ga­be bei­zu­tra­gen. Was faire und ge­rech­te Lö­sun­gen sind, re­gelt für Deutsch­land eine „Hand­rei­chung“ der Bun­des­re­gie­rung. So­wohl die Wa­shing­to­ner Er­klä­rung als auch die Hand­rei­chung sind al­ler­dings ex­pres­sis ver­bis recht­lich un­ver­bind­lich. Sie bin­den in Deutsch­land im Zuge frei­wil­li­ger Selbst­ver­pflich­tung öf­fent­li­che Stel­len und Mu­se­en – nicht hin­ge­gen pri­va­te Ei­gen­tü­mer.

Seit Lau­ders Rede gab es drei Ge­set­zes­in­itia­ti­ven, von denen keine um­ge­setzt wurde. Die­ses Schick­sal droht ab­seh­bar auch dem ak­tu­el­len Ent­wurf, der öf­fent­lich­keits­wirk­sam vor allem die Ver­jäh­rung bei Her­aus­ga­be­an­sprü­chen von NS-Raub­kunst ein­schrän­ken will. Die Be­für­wor­ter eines Raub­kunst­ge­set­zes über­se­hen dabei re­gel­mä­ßig drei As­pek­te.

1. Meist haben die heu­ti­gen Be­sit­zer von NS-Raub­kunst kraft Ge­set­zes recht­mä­ßig Ei­gen­tum er­wor­ben, sei es durch Er­sit­zung nach zehn­jäh­ri­gem gut­gläu­bi­gen Ei­gen­be­sitz (§ 937 BGB) oder im Rah­men einer öf­fent­li­chen Ver­stei­ge­rung (§ 935 II BGB). Eines der Kern­pro­ble­me be­nennt der Ent­wurf, al­ler­dings ohne eine Lö­sung an­zu­bie­ten: Die mög­li­che Bös­gläu­big­keit (§ 937 II BGB) muss der An­spruch­stel­ler be­wei­sen, dies ist eine be­wuss­te Ent­schei­dung des Ge­setz­ge­bers (BGH, NJW 2019, 3147). Indes wird der An­spruch­stel­ler in der Regel nicht wis­sen, wie der Be­sitz er­langt wurde. Die vom Ge­set­zes­ent­wurf dann le­dig­lich noch er­fass­ten rest­li­chen Fälle des bös­gläu­bi­gen Be­sit­zers, der sich künf­tig nicht mehr auf die Ver­jäh­rung des Her­aus­ga­be­an­spruchs be­ru­fen darf, dürf­ten die ab­so­lu­te Aus­nah­me bil­den. Der An­wen­dungs­be­reich des Ge­set­zes wäre denk­bar klein.

2. Ver­jäh­rung ist ein Rechts­in­sti­tut, das dem Rechts­frie­den dient. Wer seine Rück­ga­be­an­sprü­che hin­sicht­lich ari­sier­ter jü­di­scher Grund­stü­cke, Fir­men und Bar­ver­mö­gen nicht recht­zei­tig gel­tend ge­macht hat, ging und geht leer aus. Warum soll das aus­ge­rech­net bei Kunst­wer­ken an­ders sein? Ge­plant ist jetzt, dass sich Be­sit­zer von Kul­tur­gut nur dann auf die Ver­jäh­rung von Her­aus­ga­be­an­sprü­chen be­ru­fen kön­nen, wenn sie den Be­sitz gut­gläu­big er­wor­ben haben. Pro­ble­ma­tisch ist, dass die­ser Aus­schluss auch dann gel­ten soll, wenn die Ver­jäh­rungs­frist be­reits ab­ge­lau­fen ist (§ 214 I 2 BGB-E). Eine sol­che Rück­wir­kung ver­stie­ße aber gegen das Rechts­staats­prin­zip (Art. 20 III GG). Hier­von macht das BVerfG zwar in sehr eng be­grenz­ten Fall­grup­pen eine Aus­nah­me. NS-Raub­kunst fällt aber, so­weit er­kenn­bar, nicht dar­un­ter. Der po­li­ti­sche Scha­den – be­son­ders in­ter­na­tio­nal – wäre indes ge­wal­tig, soll­te hier das BVerfG eine un­zu­läs­si­ge Rück­wir­kung an­neh­men.

3. Kaum ein Raub­kunst­fall gleicht dem an­de­ren, wes­halb sich jede stan­dar­di­sier­te Lö­sung – und nur eine sol­che kann ein Ge­setz tech­nisch fas­sen – ver­bie­tet. Auch das von Lau­der be­schwo­re­ne Vor­bild des ver­meint­lich weg­wei­sen­den ös­ter­rei­chi­schen Kunst­rück­ga­be­ge­set­zes (öst. BGBl I 181/1998) taugt hier nichts. Denn es gilt nur für Kul­tur­gut aus Bun­des­mu­se­en, nicht für pri­va­te Ei­gen­tü­mer oder Bun­des­län­der.

Ent­schä­di­gung statt stan­dar­di­sier­ter Lö­sun­gen

Will man pri­va­te Ei­gen­tü­mer von NS-Raub­kunst zur Rück­ga­be ver­pflich­ten, ist das ein Ei­gen­tums­ein­griff, der nur gegen Ent­schä­di­gung recht­mä­ßig ist. Hier gibt es nur eine Lö­sung: Die Grün­dung einer Stif­tung, die die Kunst­wer­ke zu­rück­kauft, um sie den Ge­schä­dig­ten zu­rück­zu­ge­ben. In Fäl­len, in denen dies nicht ge­lingt, soll­ten wir er­wä­gen, die Opfer und ihre Fa­mi­li­en we­nigs­tens fi­nan­zi­ell an­ge­mes­sen zu ent­schä­di­gen.

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Rechtsanwalt Dr. Lucas Elmenhorst, M. A., ist Notar und Kunsthistoriker in Berlin.