Urteilsanalyse
Sieben Meter hohes Kreuz ist aus dem Garten zu entfernen
Urteilsanalyse
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 Ein Sondernutzungsrecht am Garten berechtigt einen Wohnungseigentümer nach einem Urteil des LG Düsseldorf nicht, ein 7,36 m hohes, mit Leuchtketten versehenes Kreuz aufzustellen. Hierbei handele es sich um eine nachteilige bauliche Veränderung, die wie ein störender Fremdkörper wirkt und dem Garten "die Züge einer Gedenkstätte" vermittelt.

19. Okt 2022

Anmerkung von
Rechtsanwalt Prof. Dr. Wolf-Rüdiger Bub und Rechtsanwalt Nikolay Pramataroff,  Rechtsanwälte Bub, Memminger & Partner, München, Frankfurt a.M.

Aus beck-fachdienst Miet- und Wohnungseigentumsrecht 21/2022 vom 13.10.2022

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Sachverhalt

Die Parteien bilden eine Gemeinschaft von Wohnungseigentümern. Die Klägerin - ehemalige Eigentümerin der Sondereigentumseinheit Nr. 2 - nimmt die Beklagte als Sondereigentümerin der Einheit Nr. 1 der Wohnungseigentümeranlage auf Beseitigung eines im Garten der Anlage durch die Beklagte errichteten Kreuzes mit Betonfundament in Anspruch. Das Kreuz hat eine Höhe von über sieben Metern und ist mit einer Leuchtkette umrandet. An dem Gartenteil besteht ein Sondernutzungsrecht zugunsten der Einheit der Beklagten. Die Beklagte wurde zunächst mit klägerischem Schreiben vom 08.08.2020 und sodann mit anwaltlichem Schreiben der Klägerin vom 09.10.2020 zur Entfernung des Kreuzes erfolglos aufgefordert.

Das Amtsgericht gab der Klage statt; hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung.

Entscheidung

Die Berufung hat keinen Erfolg.

Bei dem Kreuz handelt es sich um eine nachteilige bauliche Veränderung im Sinne von § 20 Abs. 3 und Abs. 4 WEG. Eine bauliche Veränderung sei jede auf Dauer angelegte, umgestaltende Maßnahme, die auf Veränderung desjenigen Zustandes gerichtet ist, der entweder beim Entstehen der werdenden Wohnungseigentümergemeinschaft oder nach späterer Vornahme zulässiger baulicher Veränderungen oder nach späterer Vornahme unzulässiger baulicher Veränderungen, deren Beseitigung aber nicht mehr verlangt werden kann, vorhanden ist.

Die Beklagte als Handlungs- und Zustandsstörerin beeinträchtige das Sondereigentum der Klägerin in einer Weise, wie diese es im Rahmen des § 14 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 1 Nr. 2 WEG nicht hinzunehmen habe. Der Klägerin erwachse daraus ein über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinausgehender Nachteil. Demgemäß stehe der Beklagten auch kein Anspruch gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer auf (nachträgliche) Gestattung der Maßnahmen nach § 20 Abs. 3 WEG zu, den sie dem Beseitigungsanspruch der Klägerin nach § 242 BGB entgegenhalten könnte.

Der Sondernutzungsberechtigte habe insbesondere bei der Gestaltung einer sondergenutzten Gartenfläche den Charakter und das Erscheinungsbild der gesamten Gartenanlage zu berücksichtigen.

Gemessen an diesen Anforderungen ergebe sich bereits aufgrund der Höhe des von der Beklagten errichteten Kreuzes von über sieben Metern mit umrandender Beleuchtung objektiv eine optisch nachteilige Veränderung der Wohnanlage: Zum einen verliere der Garten sein Erscheinungsbild als Garten in weiten Teilen und bekomme stärker die Züge einer Gedenkstätte. Zum anderen verstärke sich der Eindruck eines "zugebauten Gartens", da es sich bei dem Kreuz aufgrund des einnehmenden Volumens um einen vergleichsweise massiven und im Verhältnis zur Gesamtfläche des Sondernutzungsrechts großen Gegenstand handle.

Darüber hinaus sei das Kreuz aus der Sondereigentumseinheit der Klägerin deutlich sichtbar. Aus der Sicht eines vernünftigen Wohnungseigentümers in der Lage der Klägerin wirke das Kreuz auch wie ein störender Fremdkörper. Dieser Effekt werde noch durch die angebrachte Beleuchtung verstärkt.

Nachdem die Klägerin das Aufstellen des Kreuzes auch nicht genehmigt habe, sei dieses durch die Beklagte zu entfernen.

Praxishinweis

Dem Urteil ist zuzustimmen.

Ein Nachteil im Sinne des § 14 Abs. 1 Nr. 2 WEG ist bei jeder nicht ganz unerheblichen Beeinträchtigung, die konkret und objektiv sein muss, gegeben; entscheidend ist, ob sich nach der Verkehrsanschauung ein Wohnungseigentümer in der entsprechenden Lage verständlicherweise beeinträchtigt fühlen kann (BGH, Urteil vom 07.02.2014 – V ZR 25/13, NZM 2014, 245 Rn.11), wobei nicht der subjektiv-persönliche ästhetische Maßstab des Wohnungseigentümers maßgebend ist, sondern ein objektiver Maßstab anzulegen ist (Falkner in BeckOGK, 01.06.2022 , § 14 WEG Rn. 127). Die Schwelle für die Annahme einer Beeinträchtigung ist insgesamt eher niedrig anzusetzen (BVerfG, Beschluss vom 22.12.2004 - 1 BvR 1806/04, NZM 2005, 182); nur ganz geringfügige Beeinträchtigungen bleiben daher außer Betracht (BGH, Urteil vom 24.01.2014 – V ZR 48/13, NZM 2014, 201, Rn. 8).

Vorliegend handelt es sich eindeutig um einen solchen Nachteil, den der betroffene Miteigentümer nicht hinnehmen muss, ähnlich wie bei einer Anbringung eines Fahnenmastes im Garten (AG Bottrop, Schlussurteil vom 22.04.2016 – 20 C 57/15, ZWE 2017, 5) oder zB von Spruchbändern und Plakaten (BGH, Urteil vom 14. 12. 2012 – V ZR 224/11, NZM 2013, 193).


LG Düsseldorf, Urteil vom 22.06.2022 - 25 S 56/21 (AG Düsseldorf), BeckRS 2022, 14056