Urteilsanalyse
Eine Shisha Bar ist keine Gaststätte
Urteilsanalyse
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Ist in einer Teilungserklärung eine Einheit als "Gaststätte" bezeichnet, handelt es sich dabei um eine Zweckbestimmung mit Vereinbarungscharakter. Der Betrieb einer Shisha Bar ist nach einem Urteil des LG Dortmund vom 22.09.2020 von dieser Zweckbestimmung nicht erfasst.

3. Dez 2020

Anmerkung von
Rechtsanwalt Prof. Dr. Wolf-Rüdiger Bub und Rechtsanwalt Nikolay Pramataroff
Rechtsanwälte Bub, Memminger & Partner, München, Frankfurt a.M.

Aus beck-fachdienst Miet- und Wohnungseigentumsrecht 23/2020 vom 03.12.2020

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Sachverhalt

Ein Wohnungseigentümer vermietet seine Gewerbeeinheit, die in der Teilungserklärung als „Gaststätte“ bezeichnet ist, an einen Mieter, der dort eine Shisha Bar betreibt. Die Wohnungseigentümergemeinschaft ist der Ansicht, dass dies nicht von der Zweckbestimmung in der Teilungserklärung gedeckt ist und begehrt die Unterlassung der Vermietung. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen; hiergegen wendet sich die Wohnungseigentümergemeinschaft mit ihrer Berufung.

Entscheidung

Die Berufung hat Erfolg.

Der Klägerin stehe gegen die Beklagte hinsichtlich der derzeitigen Nutzung ihrer Teileigentumseinheit durch den Mieter B2 als Shisha Bar ein Anspruch auf Unterlassung bzw. Einwirkung auf Herrn B2 gem. §§ 1004 Abs. 1 BGB iVm § 15 Abs. 3 WEG zu.

Der Betrieb der Shisha Bar stelle eine nach der Teilungserklärung nicht zulässige Nutzung dar. Bei der Bestimmung in der Teilungserklärung handle es sich um eine Zweckbestimmung mit Vereinbarungscharakter iSv § 10 Abs. 2 WEG, soweit die streitgegenständliche Einheit dort als „Gaststätte“ bezeichnet sei. Die Auslegung habe objektiv normativ zu erfolgen, wobei auf den Zeitpunkt der Erstellung der Teilungserklärung, vorliegend das Jahr 1990 abzustellen sei.

Der Betrieb einer Shisha Bar werde von dieser Zweckbestimmung hingegen nicht erfasst. Durch die vereinbarte Zweckbestimmung werde das Recht des Eigentümers, mit den in seinem Sondereigentum stehenden Räumlichkeiten in dem durch das WEG vorgegebenen Rahmen gem. §§ 13 Abs. 1 WEG nach Belieben zu verfahren, beschränkt. Unter einer Gaststätte sei jedenfalls noch im Jahr 1990 ein Betrieb zu verstehen, in dem Getränke oder Speisen zum sofortigen Verzehr verkauft werden und der dafür eine Aufenthaltsmöglichkeit biete. Auch wenn in Gaststätten zum Zeitpunkt der Errichtung der Teilungserklärung noch geraucht werden durfte, so habe das Rauchen dort nur eine untergeordnete Rolle gespielt, zumal die Tabakwaren vor Ort auch typischerweise nicht erworben werden konnten. Im Rahmen des Betriebs einer Shisha Bar sei indes das Rauchen der Wasserpfeifen der Hauptzweck eines dortigen Besuchs. Dass dazu auch Getränke erworben werden können, habe demgegenüber lediglich eine untergeordnete Rolle, insbesondere, sofern es sich - wie vorliegend - um eine Shisha Bar handle, in der keine alkoholischen Getränke angeboten werden.

Zudem erweise sich die nach dem vereinbarten Zweck ausgeschlossene Nutzung nicht als zulässig, da bei der Nutzung der Teileigentumseinheit als Shisha Bar bei typisierender Betrachtungsweise mit einer höheren Brandgefahr zu rechnen sei. Den Eigentümern sei nicht zuzumuten, diese erhöhte Brandgefahr hinzunehmen, zumal diese sich in der Vergangenheit bereits einmal verwirklicht habe. Des Weiteren gehe mit dem Betrieb einer Shisha Bar, in der typischerweise auch im Freien geraucht werde, eine erhöhte Geruchsbelästigung/Rauchentwicklung einher. Selbst wenn man darauf abstellte, dass im Jahr 1990 auch noch in Gaststätten geraucht werden durfte, so sei dies stets eine Nebenerscheinung gewesen, die typischerweise nicht die Intensität erreichte, die mit einer Shisha Bar verbunden sei, deren Hauptzweck das Rauchen von Wasserpfeifen sei.

Praxishinweis

Durch die bestimmte Bezeichnung einer Sondereigentumseinheit in der Teilungserklärung – wie vorliegend als Gaststätte – wird die zulässige Nutzung dieser Einheit beschränkt, wenn es sich um eine Regelung im Sinn einer Zweckbestimmung mit Vereinbarungscharakter handelt (BGH, Urteil vom 25.10.2019 – V ZR 271/18, NJW 2020, 921). Das LG Dortmund ist der Ansicht, dass es sich bei einer Shisha Bar nicht um eine Gaststätte handelt. Dies steht mit den Entscheidungen des BVerfG (Beschluss vom 02.08.2010 – 1 BvQ 23/10, BeckRS 2010, 54649) und des OLG Köln (Urteil vom 19.05.2017 – 1 U 25/16, BeckRS 2017, 118519, zu einer entsprechenden Zweckbestimmung in einem Mietvertrag) im Widerspruch. Letztere Entscheidung fand in der Literatur weitgehend Zustimmung (H. Schmidt in BeckOGK, 01.10.2020 , § 535 BGB Rn 266; Borzutzki-Pasing in Hannemann/Wiegner, Münchner Anwaltshandbuch Mietrecht, 5. Auflage 2019, § 56 Rn 104; aA Kohlstrunk IMR 2017, 403 mit sehr ähnlicher Argumentation wie das LG Dortmund).

Für den Fall einer zweckwidrigen Nutzung durch einen Mieter hat der BGH kürzlich bestätigt (Urteil vom 25.10.2019 - V ZR 271/18, BeckRS 2019, 31522, besprochen in FD-MietR 2020, 424309), dass den Wohnungseigentümern direkt ein Unterlassungsanspruch gegen Mieter zusteht.


LG Dortmund, Urteil vom 22.09.2020 - 1 S 27/20 (AG Essen), BeckRS 2020, 30772