Urteilsanalyse
Schutzzweck des § 556d BGB erfasst nicht Bestandsmiete
Urteilsanalyse
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Für den Fall einer nachträglich vereinbarten Mieterhöhung folgt nach Ansicht des AG Hamburg aus dem Motiv des Gesetzgebers, dass der bezweckte Schutz des § 556d BGB nur auf die bei Abschluss des Mietvertrages vereinbarten Miete zu beziehen ist. Eine Bestandsmiete, als die die nach Abschluss des Vertrages bestehende und sodann veränderte Miete anzusehen ist, ist nicht erfasst.

22. Okt 2021

Anmerkung von
Rechtsanwalt Prof. Dr. Wolf-Rüdiger Bub und Rechtsanwalt Nikolay Pramataroff,  Rechtsanwälte Bub, Memminger & Partner, München, Frankfurt a.M.

Aus beck-fachdienst Miet- und Wohnungseigentumsrecht 21/2021 vom 21.10.2021

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Sachverhalt

Die Kläger machen einen Anspruch auf Rückzahlung angeblich überhöhter Miete wegen Verstoßes gegen § 555d BGB für die Zeit von Mai 2020 bis März 2021 geltend und begehren eine entsprechende, auf die Zukunft bezogenen Feststellung der Miethöhe.

Die Parteien schlossen am 23.05.2019 einen Wohnraummietvertrag mit einer vereinbarten Nettokaltmiete in Höhe von 730 EUR.

Nach Einbau einer Einbauküche durch den Vermieter vereinbarten die Parteien im Juli/August 2019 eine Mieterhöhung um 30 EUR auf 760 EUR ab Oktober 2019.

Die Kläger sind der Ansicht, die Miete sei allenfalls unter Berücksichtigung der zulässigen Überschreitung um 10 % in Höhe von 664,75 EUR wirksam vereinbar.

Entscheidung

Die Klage hat keinen Erfolg.

Der Rückzahlungsanspruch der Kläger und auch der Feststellungsantrag werde für einen Zeitraum nach Abschluss der Vereinbarung vom 16.7.2019/21.8.2019 geltend gemacht, nämlich ab Mai 2020.

Ab Oktober 2019 beruhe die Miethöhe jedoch nicht auf der Mietpreisabrede des im Mai 2019 abgeschlossenen Mietvertrages, sondern auf der Vereinbarung vom 16.7.2019/21.8.2019. § 556d Abs. 1 BGB schränke nur die Höhe der zu Beginn des Mietverhältnisses vereinbarten Miete ein.

Es sei zwar nicht zu verkennen, dass Vereinbarung vom 16.7.2019/21.8.2019 an die ursprüngliche vereinbarte Miete anknüpfe. Dies zeige auch der Wortlaut der Ziff. 7 der Vereinbarung, der ausdrücklich eine Erhöhung dieser Miete in Höhe von 730,00 EUR um 30,00 EUR vorsehe. Andererseits sei dies eine nicht hinweg zu denkende Folge einer jeden nach Abschluss des Mietvertrages erfolgenden Mieterhöhung, sei es nach den gesetzlichen Regelungen oder aufgrund einer sonstigen Parteivereinbarung.

Durch eine nachträgliche Mieterhöhung sei die geschuldete Miete nicht mehr diejenige, die im ursprünglichen Mietvertrag (möglicherweise überhöht) vereinbart worden sei, sondern die neu bestimmte Miete.

Für den vorliegenden Fall einer nachträglich vereinbarten Mieterhöhung folge aus diesem Motiv des Gesetzgebers, dass der bezweckte Schutz des § 556d BGB nur auf die bei Abschluss des Mietvertrages vereinbarten Miete zu beziehen sei. Eine Bestandsmiete, als die im vorliegenden Fall die nach Abschluss des Vertrages bestehende und sodann veränderte Miete anzusehen sei, sei nicht erfasst.

Beruhe somit die Mietpreisabrede auf einer späteren Vereinbarung, so sei die Anwendung der sog. „Mietpreisbremse“ ausgeschlossen.

Praxishinweis

Dem Wortlaut nach gilt § 556d Abs. 1 BGB nur für den Abschluss eines Mietvertrages. Der Regelfall ist die Wiedervermietung an einen neuen Mieter. Mietvertragsfortsetzung oder –erneuerung mit dem bisherigen Mieter und der schlichte Parteiwechsel (Börstinghaus in Schmidt-Futterer, 14. Auflage 2019, § 556d BGB Rn. 20) fallen nicht unter den Anwendungsbereich der §§ 556d ff BGB; ebenso wenig der gesetzliche Übergang eines Mietverhältnisses, etwa nach § 566 BGB.

Ausgenommen hiervon sind jedoch dann zu machen, wenn Umstände hinzutreten, welche die Annahme eines Umgehungsgeschäfts rechtfertigen. Dann kommt eine Analogie in Betracht (Börstinghaus NJW 2018, 665).

Dies ist zB dann der Fall, wenn der Mieter zunächst ein Mietvertrag mit einer bestimmten (niedrigen) Miete und unmittelbar danach einen Nachtrag abschließt, der eine höhere Miete aufgrund „Hinzubuchung“ von weiteren Ausstattungen beinhaltet (LG Berlin, Urteil vom 13.08.2018 – 66 S 45/18, BeckRS 2018, 46718). Eine Umgehung kann aber auch vorliegen, wenn ein schlichter Parteiwechsel vorgetäuscht wird, etwa wenn der Vormieter das Mietverhältnis kündigt und der Vermieter daraufhin mit den Untermietern des Vormieters einen „Nachtrag“ zum Mietvertrag mit einer unzulässig hohen Miete schließt (LG Berlin, Urteil vom 25.04.2018 – 65 S 238/17, BeckRS 2018, 11478; AG München, Urteil vom 08.09.2016 – 422 C 6013/16, BeckRS 2016, 20338).

AG Hamburg, Urteil vom 10.08.2021 - 43b C 98/21, BeckRS 2021, 28734