Kolumne
Schlechthin
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Foto Markus Hartung
© Frank Eidel
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Eigentlich sollte das Unternehmertum unter Anwälten völlig normal sein, aber das, was Anfang der 60er Jahre des letzten Jahrhunderts galt, scheint noch sehr lebendig zu sein: Gewinnstreben, so der BGH damals, sei zwar „eine im kaufmännischen Leben gerechtfertigte, wirtschaftlich notwendige und unzweifelhaft achtbare Tätigkeit“, mit dem Beruf eines Rechtsanwalts, „von dem kommerzielles Denken schlechthin ferngehalten werden“ müsse, sei das hingegen „unvereinbar“ . 

9. Aug 2020

Unlängst ist in einem der lokalen Anwaltsblätter ein Beitrag einer jungen Kollegin erschienen, in dem sie sehr offen und anschaulich schildert, wie sie sich nach dem 2. Examen selbstständig gemacht, wie und warum sie sich relativ schnell als Fachanwältin etabliert und später die Möglichkeit ergriffen hat, auch als Anwaltsnotarin bestellt zu werden. Sie erläuterte ihre weiteren Pläne und äußerte sich über die Notwendigkeit, Marktentwicklungen zu verfolgen, um darauf unternehmerisch zu reagieren. Eine Konsequenz sei etwa eine weitere Fachanwaltsspezialisierung. Leser bekamen einen Einblick in die Investitionen und die Anstrengungen, die mit Gründung und Wachstum einer Kanzlei verbunden sind. Es entstand das klare Bild einer jungen Unternehmerin, die als Existenzgründerin Risiken eingegangen war, um eine gesuchte Anwältin und Notarin zu werden, und bei der sich Mandanten vermutlich in besten Händen befinden. Der Beitrag trug den Titel: „Die Einzelanwältin als Unternehmerin“. Begriffe wie Organ der Rechtspflege, core values oder Berufsethik kamen darin nicht vor. Begriffe wie Profit oder kommerzielles Verhalten allerdings auch nicht. Dass sich die Kollegin auch noch ehrenamtlich im DAV engagiert und Ansprechpartnerin für junge Kolleginnen und Kollegen ist, sei hier nur nebenbei erwähnt.

Eigentlich sollte das Unternehmertum unter Anwälten völlig normal sein, immerhin hatte der letzte Anwaltstag das Motto: „Die Kanzlei als Unternehmen“. Aber in der Eröffnungsansprache der DAV-Präsidentin, dieses Mal online und daher für die Ewigkeit, klang Rechtfertigungsbedarf für das Thema an. Sie führte den Anwaltsberuf historisch auf den Vorsprech zurück, woran sich auch trotz des Altersdurchschnitts der DAV-Mitglieder niemand mehr aus eigenem Erleben erinnern wird. Aber das, was Anfang der 60er Jahre des letzten Jahrhunderts galt, scheint noch sehr lebendig zu sein: Damals befand der BGH, Gewinnstreben sei „eine im kaufmännischen Leben gerechtfertigte, wirtschaftlich notwendige und unzweifelhaft achtbare Tätigkeit“, immerhin. Aber für Anwälte gelte das nicht, vielmehr sei das „unvereinbar mit dem Beruf eines Rechtsanwalts, von dem kommerzielles Denken schlechthin ferngehalten werden“ müsse. Die Formulierung hat sich vielleicht nicht als unsterblich, aber doch als besonders langlebig erwiesen. Das BVerfG räumte erst 30 (Zweitberuf) und 44 Jahre später (Erfolgshonorar) mit dieser Haltung auf und entschied, „kommerzielles Denken ist mit dem Anwaltsberuf nicht schlechthin unvereinbar. (...) Als Angehörige eines freien Berufes tragen Rechtsanwälte regelmäßig (...) das volle wirtschaftliche Risiko ihrer beruflichen Tätigkeit.“ So ist es. Ein guter Anwalt muss unternehmerisch und mit Gewinnerzielungsabsicht handeln, um ein guter Anwalt zu werden und zu bleiben. Nicht schwer zu verstehen. Die fromme Befolgung der core values reicht leider nicht. Sie ist notwendig, aber nicht hinreichend für den Anwaltsberuf. Schlechthin unvereinbar ist heute nur die deutsche Sprache mit diesem Begriff. •

Markus Hartung ist Rechtsanwalt und Mediator in Berlin, Senior Fellow des Bucerius Center on the Legal Profession und Mitglied des Berufsrechtsausschusses des DAV.