Anmerkung von
RAin Dr. Sibylle Romero, Gleiss Lutz, Stuttgart
Aus beck-fachdienst Arbeitsrecht 47/2023 vom 30.11.2023
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Sachverhalt
Str. sind Zahlungsansprüche der Klägerin für die Zeit vom 20.5.2021 bis 26.5.2021. Diese arbeitet bei der Beklagten im Schichtdienst auf dem Gebiet der ambulanten Pflege und Betreuung. Beginn und Ende der Arbeitszeit sowie die Pausen richten sich nach dem mit dem Betriebsrat abgestimmten Dienstplan und den betrieblichen Erfordernissen. Für die monatliche Grundvergütung von 1.901 EUR legte die Beklagte ein monatliches Stundensoll von 173,17 Stunden zugrunde. Für den streitgegenständlichen Zeitraum teilte die Klägerin noch vor Erstellen des Dienstplans mit, dass sie aufgrund einer Zahnoperation arbeitsunfähig sein wird. Die Zeiten wurden im Dienstplan mit dem Eintrag „wunschfrei“ vermerkt. Die Klägerin war dann über den ursprünglich angegebenen Zeitraum hinaus auch am 27.5.2021 und 28.5.2021 arbeitsunfähig erkrankt. Für diese beiden Tage erhielt die Klägerin Entgeltfortzahlung, nicht hingegen für die Tage davor. Im Mai 2021 erreichte die Klägerin auch ohne die streitgegenständliche Zeit trotzdem ihr Stundensoll von 173,17 Stunden. Nachdem die Klägerin zunächst erfolglos gegenüber der Beklagten Entgeltfortzahlung für 40 Stunden oder eine Gutschrift auf ihr Arbeitszeitkonto verlangt hatte, verfolgte sie diese Ansprüche klageweise weiter. Das ArbG hat der Klage vollständig stattgegeben und die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.
Entscheidung
Die Berufung hatte teilweise Erfolg. Das LAG entschied, dass die Klägerin zwar keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall hat. Dieser Anspruch bestehe nur, wenn die Arbeitsunfähigkeit die alleinige Ursache für den Ausfall der Arbeitsleistung sei. Hier sei die Erbringung der Arbeitsleistung aber wegen des Dienstplans nicht nötig gewesen. Allerdings habe die Klägerin einen Schadenersatzanspruch gegen die Beklagte, da diese den Dienstplan im Monat Mai 2021 nicht nach billigem Ermessen erstellt habe. Dadurch sei der Klägerin ein Schaden entstanden, der darin liege, dass ihr Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall entgangen sei, welche ihr bei pflichtgemäßer Ausübung des Weisungsrechts und entsprechender Einteilung im Dienstplan zugestanden hätte. Die Beklagte habe die Klägerin nur wegen ihrer angekündigten Arbeitsunfähigkeit nicht eingeplant. Zwar habe die Klägerin keinen Anspruch auf eine bestimmte Planung. Die bisherige Handhabung, die Klägerin im Durchschnitt an drei Tagen pro Woche einzusetzen, dürfe allerdings nicht unberücksichtigt bleiben. Die Beklagte habe bei der Dienstplanerstellung allein ihre eigenen betrieblichen und wirtschaftlichen Interessen verfolgt. Die Klägerin erfahre dafür, dass sie ihre Ausfallzeit im Interesse der Beklagten dieser vorab mitgeteilt habe eine Behandlung, der sie bei weniger rücksichtsvollem Verhalten erkennbar nicht unterlegen wäre und die für sie zum Verlust eines sonst gegebenen Entgeltfortzahlungsanspruchs führe. Das widerspreche dem Rechtsgedanken des § 612a BGB. Die unterbliebene Einsatzplanung führe somit im Ergebnis zur Umgehung der Vorschriften des EFZG und sei daher unbillig. Die Klägerin sei im Wege des Schadensersatzanspruches so zu stellen, als wäre das Leistungsbestimmungsrecht nach billigem Ermessen ausgeübt worden. Bei Wahrung billigen Ermessens hätte die Beklagte die Klägerin in der fraglichen Zeit mit drei und nicht mit nur einer Schicht eingeplant, da die Klägerin in der Vergangenheit regelmäßig für drei Schichten eingeplant worden sei. Den hierfür geschuldeten Betrag für die zwei Schichten habe die Beklagte im Wege des Schadenersatzes zu zahlen. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen, da die Beklagte nicht gehalten gewesen sei, die Klägerin mit mehr als drei Schichten pro Kalenderwoche einzuplanen.
Praxishinweis
Die sorgfältig begründete Entscheidung des LAG Sachsen überzeugt und steht im Einklang mit der Rspr. des BAG, wonach einem Arbeitnehmer bei unbilligen Weisungen ein Annahmeverzugslohn oder Schadensersatzanspruch zustehen kann (vgl. etwa BAG, ArbRAktuell 2017, 462).
LAG Sachsen, Urteil vom 08.09.2023 - 2 Sa 197/22 (ArbG Bautzen), BeckRS 2023, 29825