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Scherbengericht über Versorgungswerke?
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Wenn Sie der Meinung sind, dass der Bundesgesetzgeber nicht einfach die Versorgungswerke der verkammerten Freien Berufe abschaffen kann, dann haben Sie recht. Er wäre dafür nicht zuständig: sie sind Einrichtungen der Länder. Allerdings: der Bund könnte das Ziel verfolgen, den Versorgungswerken das Wasser abzugraben. Den Zeitgenossen beschleicht die Ahnung, dass genau das gerade vorbereitet wird.

24. Aug 2023

Wir wissen alle: es muss und wird zu einer großen Rentenreform kommen. Das Rentenpaket II ist unterwegs. „Erwerbstätigenversicherung“ wird Pflichtversicherung in der DRV für alle Selbstständigen. Wenn es dann heißt: „Natürlich werden die ausgenommen, die schon anderweitig gleichwertig versorgt sind“, dann muss man genau lesen: „versorgt sind“ – Präsens! Also nicht die, die auch in Zukunft in einem Versorgungswerk versorgt sein wollen. Ergebnis dann: es fehlt der Zugang des Nachwuchses, auf welchem die Versicherungsmathematik der Versorgungswerke beruht. Ein langsamer, aber sicherer Tod wäre die Folge. Stufe eins.

Der Präsident des BSG, Rainer Schlegel, hat eine ergänzende Idee: die Versorgungswerke bleiben erhalten! Aber sie werden Zusatzversorgung. Der Freiberufler zahlt voll ins Umlagesystem und an sein Versorgungswerk einen Zusatzbetrag. Wie sollen die mit ihren auf eigener Vorsorge erarbeiteten bisherigen Ansprüche bedient werden? Das müsste durch Einsatz von Vermögensanteilen des Versorgungswerks finanziert werden, da auch hier Teile der Versicherungsmathematik fehlen. Stufe zwei.

Im „Haus der Selbstständigen“ (eine vom BMAS geförderte und von Verdi sowie von einschlägig sozialpolitisch Engagierten unterstützte Einrichtung in Leipzig) haben gerade Rainer Schlegel, Gundula Roßbach (Präsidentin der DRV Bund) und Rolf Schmachtenberg (Staatssekretär im BMAS) ein öffentliches Podiumsgespräch darüber geführt, wie man alle Selbstständigen ausnahmslos in das Umlagesystem bekommt. Von ihrer eigenen Versorgung haben sie nicht geredet; ein Vertreter der Freien Berufe war nicht geladen. Zuhörer hatten den Eindruck, an der Inszenierung eines selbsternannten Scherbengerichts über die Versorgungswerke teilzunehmen. Stufe drei.

Dass Art. 14 GG entgegensteht (weil nämlich durch den fehlenden Zugang und die ­erzwungene Kapitalreduzierung die Anwartschaften jedes Einzelnen betroffen sein werden), wird nicht erörtert. Und vor allem: es wird Art 12 GG – Berufsfreiheit! – ignoriert. Die Berufsstände haben seit nun hundert Jahren ihre eigenen Einrichtungen geschaffen, ohne vom Bund irgendeine Hilfe beansprucht zu haben und zu bekommen. Warum muss, was von unten im Wege der Subsidiarität ohne Belastung der Allgemeinheit geschaffen wurde, von oben her zerstört werden? So aber werden wir zum Kampf gezwungen. Die verkammerten Freien Berufe werden ihn aufnehmen müssen! Und die Länder sollten auf ihrer Seite stehen.

Rechtsanwalt Hartmut Kilger ist Fachanwalt für Sozialrecht in Tübingen.