Urteilsanalyse
Schadensersatzanspruch eines Vermieters gegen den Mieter wegen des Verlustes eines Wohnungsschlüssels
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Hat ein Mieter einen ihm bei Übergabe einer Mietwohnung übergebenen Wohnungsschlüssel zur Beendigung des Mietvertrages verloren, beschränkt sich laut AG Hamburg-Bergedorf der Anspruch des Vermieters regelmäßig auf die zur Anfertigung eines neuen Schlüsselrohlings erforderlichen Kosten, wenn es sich bei dem in dem betroffenen Mehrfamiliensystem verbauten Schließsystem um eine nicht sicherheitsrelevantes Schließanlage handelt, die den Anforderungen der DIN 18252 nicht entspricht.

17. Dez 2021

Anmerkung von
Rechtsanwalt Prof. Dr. Wolf-Rüdiger Bub und Rechtsanwalt Nikolay Pramataroff,  Rechtsanwälte Bub, Memminger & Partner, München, Frankfurt a.M.

Aus beck-fachdienst Miet- und Wohnungseigentumsrecht 25/2021 vom 16.12.2021

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Sachverhalt

Die Klägerin ist frühere Mieterin der Beklagten. Das Mietverhältnis ist beendet. Bei Rückgabe der Mietwohnung konnte die Klägerin der Beklagten nicht alle ihr zuvor ausgehändigten Schlüssel zurückgeben. Es fehlte ein Schlüssel für die Haus- und Wohnungseingangstür sowie ein Schlüssel für die Tiefgarage. Dabei ist die Wohnanlage, zu der die streitgegenständliche Wohnung gehört, mit einem Ein-Schlüsselsystem ausgestattet. Bei der verwendeten Schließanlage (Wendeschlüsselsystem ABUS 2000) handelt es sich nicht um eine sicherheitstechnisch relevante Schließanlage. Schlüsselrohlinge sind am Markt frei erhältlich. Die Schließanlage entspricht nicht den Vorgaben der DIN 18252 und ist ohne Sicherheitskarte ausgeliefert worden.

Die Wohnungseigentümergemeinschaft, deren Mitglied die Beklagte ist, holte daraufhin ein Angebot (2.366 EUR) für den Ersatz der Schließanlage ein und beauftragte die Firma mit dem Austausch. Daraufhin forderte die Beklagte die Kautionsbürgin der Klägerin auf, den Schaden zu ersetzen, was diese tat. Die Bürgin fordert von der Klägerin Regress. Die Klägerin ist der Ansicht, der Schaden der Beklagten bestehe nur in den Kosten der Neuanfertigung der beiden Schlüssel, die sie unstreitig mit 8,50 EUR beziffert. Mit der hiesigen Klage begehrt die Klägerin von der Beklagten Freistellung.

Entscheidung

Die Klage hat Erfolg.

Die Klägerin habe gegen die Beklagte einen aus dem Bürgschaftsvertrag folgenden Anspruch auf Freistellung von der ihr gegenüber geltend gemachten Forderung der Bürgin.

Im Falle einer Bürgschaft auf erstes Anfordern stehe dem Hauptschuldner ein Rückzahlungsanspruch gegen den Gläubiger zu, wenn der Bürge in Erfüllung seiner aus dem Bürgschaftsvertrag folgenden Verpflichtung die von dem Gläubiger behauptete, letztlich aber nicht bestehende Forderung erfülle. Der Hauptschuldner könne gegenüber dem Gläubiger ebenso Freistellung von der gegen ihn gerichteten Forderung des Bürgen verlangen. Auch dieser Anspruch folge aus der Sicherungsabrede zwischen dem Hauptschuldner und dem Gläubiger. Der Anspruch des Bürgen gegen den Hauptschuldner folge aus dem zwischen diesen Parteien bestehenden Auftragsverhältnis (§§ 670, 675 BGB) und bestehe unabhängig davon, ob die Forderung des Gläubigers gegen den Hauptschuldner materiell-rechtlich tatsächlich besteht.

So liege es hier. Die Bürgin habe auf erstes Anfordern gegenüber der Beklagten einen Betrag in Höhe von 2.350,00 EUR geleistet. Die Beklagte habe zum Zeitpunkt der Auszahlung durch die Bürgin gegen die Klägerin einen Anspruch wegen des Verlustes von zwei Schlüsseln aber lediglich in Höhe von 8,50 EUR gehabt.

Dem Vermieter stehe ein Anspruch auf Schadensersatz aus §§ 280 Abs. 1, 535 Abs. 1, 546 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB zu, wenn der Mieter einer Eigentumswohnung bei seinem Auszug Wohnungsschlüssel nicht zurückgebe. Denn damit verletze der Mieter seine mietvertragliche Nebenpflicht zur Obhut über den nicht mehr auffindbaren Schlüssel. Sofern die Schließanlage - wie hier - im Eigentum einer Wohnungseigentümergemeinschaft steht, bestehe ein etwaiger Schaden des Vermieters dergestalt, dass er gegenüber der Wohnungseigentümergemeinschaft zum Schadensersatz verpflichtet sei. Der mieterseitige Verlust des Schlüssels werde dem Wohnungseigentümer gemäß § 278 BGB zugerechnet.

Ein Vermieter könne den zum Austausch einer Schließanlage erforderlichen Betrag allerdings nur verlangen, wenn eine missbräuchliche Verwendung des nicht auffindbaren Schlüssels durch Unbefugte zu befürchten sei. Dies sei vorliegend schon deshalb ausgeschlossen, da die Schließanlage keine besonderen Sicherheitsmerkmale aufwiese. Es sei jedem Mieter möglich, unzählige Schlüssel selbst anzufertigen. Daher sei nicht ausgeschlossen, dass auch frühere Mieter noch Schlüssel besitzen und unbefugt in die Wohnanlage eindringen könnten.

Gemessen hieran beschränke sich der Schaden der Beklagten auf die Kosten in Höhe von 8,50 EUR, die für die Anfertigung der verloren gegangenen Schlüssel erforderlich seien. Bei der von der Beklagten bzw. der mit ihr verbundenen Wohnungseigentümergemeinschaft ursprünglich verbauten Schließanlage ABUS Bravus 2000 handle es sich nicht um eine sicherheitsrelevante Schließanlage. Diese sei nach dem unstreitigen Vortrag der Klägerin sowie den Ausführungen des Sachverständigen weder geschützt noch mit einer Sicherungskarte ausgestattet. Die Schlüssel und Rohlinge seien frei auf dem Markt erhältlich.

Praxishinweis

Bei Rückgabe der Mietwohnung sind dem Vermieter grundsätzlich sämtliche Schlüssel zurückzugeben (OLG Köln, Urteil vom 27.01.2006 - 1 U 6/05, BeckRS 2006, 05624), sogar die selbst angefertigten Nachschlüssel (OLG Düsseldorf, Urteil vom 14.03.1995 – 24 U 163/94, NJW-RR 1996, 209), da andernfalls der Mieter wegen der jederzeitigen Zugriffsmöglichkeit zumindest Mitbesitzer des Objekts bleibt, was einer Rückgabe im Sinne des § 546 BGB entgegen steht.

Hat der Mieter einen Schlüssel verloren, steht dem Vermieter ein Schadensersatzanspruch zu. Zwar kann der Verlust des Wohnungsschlüssels einer Schließanlage aus Sicherheitsgründen den Austausch der gesamten Schließanlage erforderlich machen, falls eine missbräuchliche Verwendung des nicht auffindbaren Schlüssels durch Unbefugte zu befürchten ist.

Der Verlust eines Schlüssels führt aber nicht zu einer Beeinträchtigung der Sachsubstanz der Schließanlage. Die rein abstrakte Beeinträchtigung der Sicherungsfunktion der Schließanlage stellt regelmäßig keinen erstattungsfähigen Vermögensschaden dar. Ein ersatzfähiger Schaden entsteht vielmehr erst dann, wenn sich der Geschädigte aus objektiver Sicht unter den konkret gegebenen Einzelfallumständen zur Beseitigung einer fortbestehenden Missbrauchsgefahr veranlasst sehen darf, die Schließanlage zu ersetzen, und diesen Austausch auch tatsächlich vornimmt. In einem solchen Fall hat sich das Gefährdungspotential in einer Vermögenseinbuße realisiert (BGH, Urteil vom 05.03.2014 − VIII ZR 205/13, ZWE 2014, 208).

Der Geschädigte soll so gestellt werden, wie er ohne das schädigende Ereignis stünde, aber nicht besser. Geht er bewusst das Risiko ein, eine günstige Schließanlage ohne besondere Sicherheitsmerkmale einzubauen, kann er bei Verlust eines Schlüssels nicht deren Austausch und schon gar nicht einen Austausch einer besseren Schließanlage fordern.

AG Hamburg-Bergedorf, Urteil vom 22.12.2020 - 410b C 3/19, BeckRS 2020, 52423